Georg Lehner, Monika Lehner (Hrsg.): Sonderband 6. Österreich-Ungarn und der „Boxeraufstand” in China (2002)

Die Unruhen des Sommers 1900 im Spiegel Österreichischer Berichte aus China

Georg Lehner - Monika Lehner „Zenta“ mit, dass er unmittelbar nach Erhalt des Schreibens vom 30. Juli Yuan Shikai telegraphisch um die Vermittlung von Nachrichten über die k. u. k. Gesandtschaft in Beijing ersucht habe. Yuan Shikai habe jedoch am 1. August nur ausweichend geantwortet und sich mit schlechten Nachrichtenverbindungen entschuldigt. Auch die Wasserwege im Landesinneren waren Anfang August nicht mehr ungehindert passierbar. Auf der Reede von Dagu trafen Meldungen ein, wonach der Baihe oberhalb von Tianjin durch mit Steinen versenkte Dschunken auch für Flachboote nahezu unpassierbar geworden wäre. Am 4. August rückte Seekadett Emst Petri von Tianjin kommend wieder auf S.M.S. „Zenta“ ein; er teilte Kottowitz mit, dass westlich von Tianjin 20 000 bewaffnete Anhänger der Yihetuan vermutet wurden. Südlich von Beicang, am linken Ufer des Baihe, hatten sich 20 000 Mann Qing-Truppen verschanzt. An Bord S.M.S. „Zenta“ wusste man zudem, dass sich auch das in Tianjin stationierte k. u. k. Detachement an der gegen Beicang begonnenen Aktion beteiligen würde.272 Diese Meldungen über die beginnende Angriffsoperation gegen Beijing waren die letzten, die LSL Kottowitz als provisorischer Kommandant S.M.S. „Zenta“ nach Wien berichtete. Durch das Eintreffen von S.M.S. „Kaiserin und Königin Maria Theresia“ auf der Reede von Dagu war er der Aufgaben des rangshöchsten k. u. k. Marineoffiziers entbunden.273 Die Berichte des Konsularoffizials Gottwald aus Tianjin und Dagu Im Frühsommer 1900 wurde der am Generalkonsulat Shanghai tätige k. u. k. Offizial Vinzenz Gottwald der Gesandtschaft in Beijing zur aushilfsweisen Dienstleistung zugeteilt. Er hatte sich bereits im Norden Chinas aufgehalten, ehe die Verbindungen mit Beijing unterbrochen worden waren. In der Hoffnung, doch noch nach Beijing zu gelangen, schloss sich Gottwald kurzerhand der Expedition Seymour, die am 10. Juni von Tianjin abgegangen war, an. Nachdem bis 26. Juni noch immer keine Nachrichten über das Schicksal der Expedition Vorlagen, erfüllte Pisko „das Ausbleiben jeglicher Nachrichten von dieser Colonne mit schwerer Sorge.“274 Gottwald selbst hatte nach der von regulären Einheiten der Qing-Armee erzwungenen Rückkehr der Expedition nach Tianjin einen ausführlichen „Bericht über den Versuch des internationalen Detachements zum Vordringen nach Peking“ verfasst. Darin beschrieb er die Vorbereitung und den Verlauf der sechzehntägigen Expedition.275 272 KA, MS/OK 1900-V-l 1/24, Nr. 2 109, S.M.S. „Zenta“ an RKM/MS, Res. No. 239, Taku, 5.8.1900 (Vorfallenheiten seit 28.7.1900). 273 KA, MS/OK 1900-V-l 1/25, Nr. 2 296, S.M.S. „Zenta“ an RKM/MS, Res. No. 251, Taku, 8.8.1900. 274 HHStA, P.A. XXIX/17, Pisko an Gotuchowski, Bericht ZI. LXIX, Shanghai, 26.6 1900. Zu den Einzelheiten der Expedition Seymour aus österreichischer Sicht vgl. unten. 275 Ebenda, Gottwald an Gotuchowski, Tientsin, 29.6.1900 (erliegt abschriftlich auch in KA, MS/OK 1900-V-l 1, Nr. 1 849, S.M.S. „Zenta“ an RKM/MS, Res. No. 192, Taku, 6.7.1900). Zur Darstellung seiner Eindrücke von der Seymour-Expedition vgl. unten. 96

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