Georg Lehner, Monika Lehner (Hrsg.): Sonderband 6. Österreich-Ungarn und der „Boxeraufstand” in China (2002)
Die Unruhen des Sommers 1900 im Spiegel Österreichischer Berichte aus China
Georg Lehner - Monika Lehner Korrespondenzen mit dem k. u. k. Generalkonsulat in Shanghai beziehungsweise mit dem Ministerium des Äußern betrauen wollte, ersuchte er das Kommando S.M.S. „Kaiserin und Königin Maria Theresia“ um die Vermittlung des schriftlichen und telegraphischen Verkehrs mit Shanghai und Wien.216 Leistungen und Verluste des österreichisch-ungarischen Detachements während der Belagerung Der Verlauf der Kampfhandlungen im Zuge der Belagerung der Gesandtschaften und die Teilnahme des österreichisch-ungarischen Detachements erfuhr in Winterhaiders Buch „Kämpfe in China“ eine eingehende chronologische Schilderung. Die von Winterhaider gegebenen Details über die Aktionen des „Zenta“-Detachements werden im Folgenden - durch weiteres Quellenmaterial ergänzt - nach Teilnehmern analysiert217: FK Eduard Thomann von Montalmar nahm zu Beginn der Belagerung eine leitende Stellung in der Verteidigung der Gesandtschaften ein. Sein Wirkungskreis als ranghöchster Offizier der nach Beijing gerufenen Detachements wurde (durch die bereits erläuterte Rolle des britischen Gesandten) nach dem Verlassen der k. u. k. Gesandtschaft auf die deutsche und französische Gesandtschaft beschränkt. Die Wiederbesetzung der französischen Gesandtschaft nach vorzeitiger Räumung war auf seine Initiative zurückzuführen. Mit „der ihm eigenen Ruhe und kaltblütigen Umsicht“ hatte er die Situation erkannt und die Wiederbesetzung der französischen Gesandtschaft geleitet. Thomann fiel am späten Vormittag des 8. Juli, von einem Granatsplitter ins Herz getroffen.218 Nach Thomanns Tod war LSL Theodor Ritter von Winterhaider der ranghöchste k. u. k. Offizier in Beijing. In seinem im Herbst 1900 vorgelegten ausführlichen Bericht über die Ereignisse während der Belagerung der Gesandtschaften erörterte Winterhaider auch den Grund für die am 20. Juni 1900 erfolgte Räumung der österreichisch-ungarischen Gesandtschaft: Die k. u. k. Gesandtschaft war gegen einen militärischen Angriff mit dem Detachement von 30 Mann unhaltbar, da sie von allen 4 Seiten angegriffen werden konnte. Von Norden her war das Feuer von dem in den höher gelegenen Häusern 216 KA, Schiffsakten „Kaiserin und Königin Maria Theresia“, No. 206 ex 1900, Rosthom an das Kommando S.M.S. „Kaiserin und Königin Maria Theresia“, Peking, 19.8.1900. 217 Eine Darstellung nach einzelnen Gruppen unter den Belagerten lieferte von den Zeitgenossen C o 11 m a n (1901), zum österreichisch-ungarischen Anteil an der Verteidigung der Gesandtschaften vgl. S. 209-217. Bei Coltman wird Thomann (S. 209) zu „Captain von Montalman“ (S. 212) und auch zu „Captain von Thornburg“ (S. 214 f.). 218 Vgl. dazu W interhalder (1902), S. 285: „[...] heiterer Friede lag auch auf den Zügen meines verehrten Commandanten, der in treuer Pflichterfüllung wenigstens den schönsten, leichtesten Tod gestorben war. Kollar, Darcy und Labrousse, durch das Ende Thomann’s schwer ergriffen, machten mich mit den Einzelnheiten [sic!] des Geschehenen vertraut.“ - Zum Hergang vgl. die Schilderung bei Darcy (1901), S. 818: „[...] il tombe dans nos bras en poussant deux cris sourds. [...]“; danach auch Mabire (1978), S. 201. Vgl. dazu auch Admiralstab, Wirren in China, S. 135: „Der Tod dieses tapferen Offiziers wurde nicht nur von seinen direkten Untergebenen, sondern auch von allen Verteidigern auf das tiefste bedauert.“ 84