Georg Lehner, Monika Lehner (Hrsg.): Sonderband 6. Österreich-Ungarn und der „Boxeraufstand” in China (2002)

Die Unruhen des Sommers 1900 im Spiegel Österreichischer Berichte aus China

Die Unruhen des Sommers 1900 im Spiegel österreichischer Berichte aus China sich Mitte Juni auch für die in Beijing Eingeschlossenen klar manifestierte: Unter die „vornehmsten Parteigänger der Patrioten-Liga“ - der Yihetuan - reihte er neben Prinz Duan, dem Vater des im Januar 1900 zum Thronfolger ernannten Prinzen Pujun, den Prinzen Zhuang sowie Xu Tong, den Tutor des Thronfolgers, dazu die Generäle Dong Fuxiang und Li Bingheng sowie Gangyi und Yuxian (Gouverneur von Shanxi) „und viele andere Würdenträger, welche zum Theil weniger bekannt sind.“ Der k. u. k. Geschäftsträger war der Ansicht, dass sich der „Generalissimus“ Ronglu, Yulu, der Generalgouvemeur von Zhili, sowie Chongli, der „Polizeipräfekt“ (bujun tonglingm) von Beijing der reaktionären Partei „wohl nur aus Opportunität“ angeschlossen hätten. Der gemäßigten Partei, die einem Konflikt mit den Mächten aus dem Weg zu gehen trachtete, rechnete er den Prinzen Qing, den ehemaligen Generalgouvemeur von Zhili, Wang Wenshao, sowie die leitenden Minister Lishan, Xu Yongyi, Xu Jingcheng, Yuanchang und Lianyuan zu.185 186 Um ein massives Eindringen der Yihetuan in das von den Gesandtschaften dominierte Viertel zu verhindern, wurde ab den Morgenstunden des 14. Juni der Wagenverkehr über die Straßenkreuzung bei der k. u. k. Gesandtschaft vollkommen eingestellt. Fußgänger wurden nur noch nach Vorweisung eines von einer der Gesandtschaften oder von Ausländem ausgestellten Passierscheines in das Viertel eingelassen.187 Am Abend des 14. Juni kam es gegen 21.00 Uhr bei der elektrischen Zentrale der Stadt neuerlich zu einem Scharmützel mit österreichischer Beteiligung. Eine Stunde später gab die belgische Gesandtschaft ein Notsignal ab.188 189 190 Ein Teil des k. u. k. Detachements und französische Matrosen eilten zur Hilfe.185 Am 16. Juni hatte das k. u. k. Detachement seinen nächsten Einsatz; im Verein mit britischen Truppen wurden in einem der nahe gelegenen Tempel „gegen 60 Boxer niedergeschossen.“I5<1 Nach der Zerstörung der von Europäern bewohnten Privathäuser und der Missionsanstalten wandten sich die Yihetuan gegen all jene Chinesen, „welche 185 So nach Li Dezheng (1991), S. 132. Vgl. dazu auch P. Hoang, Mélanges sur 1‘administration (Variétés Sinologiques No. 21, Chang-hai 1902), S. 14 und S. 179: „Pou-kiun T’oung-ling (l.b.) Généralissime de l’infanterie“ sowie Brunnert, Hagelström (1911, ND 1963), S. 380, No. 797, wo bujun tongling mit „General Commandant of the Gendarmerie“ wiedergegeben wird. 186 HHStA, P.A. XXIX/14, Rosthom an Gotuchowski, Bericht No. 1 (11. Serie), Peking, 20.8.1900. Eine ebenfalls zeitgenössische Beurteilung der Haltung einzelner hoher Beamter des Qing-Reiches bietet Friedrich Hirth, Freund und Feind unter den Mandarinen. In: T’oung Pao II 2 (1901). Zur Haltung der Kaiserin-Witwe vgl. Chung (1975/1987), S. 201-260. 187 KA, MS/OK 1900-X-14/5, Nr. 2 803, LSL Theodor Ritter von Winterhaider, Taku, 11.10.1900. - Vgl. dazu Winterhaider (1902), S. 202. 188 KA, MS/OK 1900-X-14/5, fol. 386', Nr. 2 803, LSL Theodor Ritter von Winterhaider, Taku, 11.10.1900: „Die Wache in der belgischen Gesandtschaft hatte im Falle eines Angriffes ein rothe, gleichzeitig als Aufforderung zur Unterstützung geltende, nach Abschlagen des Angriffes eine weiße und als Zeichen, dass man sich auf die k. u. k. Gesandtschaft zurückziehen müsse, eine grüne Signalpatrone abzufeuem.“ 189 KA, MS/PK 1901 -XII-14/1, Soden-TB (A), S. 7 f. 190 KA, MS/PK 1901 -XII-14/1, Soden-TB (A), S. 9. 75

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