Georg Lehner, Monika Lehner (Hrsg.): Sonderband 6. Österreich-Ungarn und der „Boxeraufstand” in China (2002)

Die „Friedensverhandlungen“ zwischen China und den Mächten - Verlauf, Abschluss und Unmittelbare Folgen

Georg Lehner - Monika Lehner Die von der „Liberté“ veröffentlichte Nachricht eines zwischen England und Russland betreffend der Mandschurei abgeschlossenen Abkommens ist eine Zeitungsente.19*8 Die diplomatischen Vertreter in Beijing beobachteten das Vorgehen Russlands mit Skepsis und wachsender Besorgnis, wozu auch das Verhalten des russischen Gesandten beitrug, der jeglichen Kommentar sowohl zur Erwerbung einer russischen Konzession in Tianjin als auch zu dem geplanten Mandschurei- Abkommen - das „Versteckenspiel“1968 1969 Russlands ging weiter und Czikann nannte noch ein weiteres Indiz für die Befürchtungen, einer der Verbündeten könnte aus dem Bündnis der Mächte ausscheiden: Hierauf deuten auch die in jüngster Zeit sich mehrenden Fälle eigenmächtigen Vorgehens der russischen Militärbefehlshaber, welche ganz den Anschein einer beabsichtigten Ignorierung des Militärischen Armee-Obercommando [sic!] des Feld Marschall Grafen v. Waldersee erwecken müssen und diesem augenscheinlich viel Arger bereiten.1970 Für ,Ärger“ sorgte die Tatsache, dass die Militärakademie, die im Zuge der Befreiung Tianjin’s von den Verbündeten eingenommen worden war1971, vom russischen General Linevic zum ausschließlich russischen Eigentum erklärt worden war. Da der ausgedehnte Gebäudekomplex allen Mächten für die Unterbringung ihrer in Tianjin stationierten Besatzungstruppen zur Verfügung stehen sollte, hatte Waldersee die sofortige Herausgabe des Objektes gefordert: Die Russen verweigern aber bisher die Befolgung dieser Aufforderung, weil sie, wie der dem Grafen v[on] Waldersee als Personal Adjutant zugetheilte russische Oberst Fürst Engalistscheff [Pavel Nikolaevic Engalycev] erklärte, die von ihren eroberte Militärschule als „Kriegs Trophäe“ betrachten, auch die Einwendung des Marschalls, dass er unter „Kriegs-Trophäen“ wohl eroberte Gegenstände, die man in die Heimath mitnehmen könne, aber niemals ein unbewegliches Object verstehen könne, das Raum für die Bequartierung einiger Batallione [sic!] Militär bietet, blieb bis nun erfolglos.1972 Für zusätzliches Misstrauen gegenüber Russland sorgten die Probleme rund um Eisenbahnverbindungen im Nordosten Chinas. Im August 1900 war die Bahnlinie Shanhaiguan-Tianjin-Beijing „leider den Russen“1973 zur Wiederherstellung übergeben worden. Man war damals von der Annahme ausgegangen, diese könnten sowohl das rollende Material, das zum Großteil zerstört worden war, als auch die zum Aufbau der zerstörten Gleiskörper erforderlichen Schienen, Schwellen und Brücken aus den Ressourcen ihrer Bahnen in der Mandschurei relativ schnell ersetzen. 1968 Ebenda, fol. 76', Deym an MdÄ, Telegramm No. 6 (4 661 Chiffre), London, 10.1.1901. Ähnlich auch: Ebenda, fol. 84v, Szôgyény an MdÄ, Telegramm No. 13 (6 107, Chiffre, vertraulich), Berlin, 11.1.1901. 1969 HHStA, P.A. XX1X/15, fol. 23', Czikann an Gotuchowski, Bericht No. 2 (Vertraulich), Peking, 9.1.1901. 1970 Ebenda, fol. 23, Czikann an Gotuchowski, Bericht No. 2 (Vertraulich), Peking, 9.1.1901. 1971 Wie oben detailliert ausgeführt, wurde die Militärakademie bereits im Juni 1900 nach Plänen des LSL Indrak erstmalig und im Juli schließlich endgültig erobert. 1972 HHStA, P.A. XXIX/15, fol. 24, Czikann an Gotuchowski, Bericht No. 2 (Vertraulich), Peking, 9.1.1901. 1973 Ebenda, fol. 24v, Czikann an Gotuchowski, Bericht No. 2 (Vertraulich), Peking, 9.1.1901. 508

Next

/
Thumbnails
Contents