Georg Lehner, Monika Lehner (Hrsg.): Sonderband 6. Österreich-Ungarn und der „Boxeraufstand” in China (2002)
Die „Friedensverhandlungen“ zwischen China und den Mächten - Verlauf, Abschluss und Unmittelbare Folgen
Georg Lehner - Monika Lehner Die Vertreter der Verbündeten Mächte hatten sich nach langen Debatten geeinigt, die Forderungen einzeln zu diskutieren und erst nach der Annahme eines Punktes zum Nächsten überzugehen, [...] um so einerseits den diplomatischen Vertretern die Möglichkeit zu bieten, sich für die Discussion aller Details des betreffenden Artikels gehörig vorzubereiten, andererseits aber zu verhindern, dass die chinesischen Bevollmächtigten eine allgemeine Discussion der gesammten Forderungen beginnen, um so alle Fragen möglichst zu verwirren.1939 Die Diskussion sollte am 5. Februar 1901 mit den Punkten 2 und 10 beginnen.1940 Erste Konflikte unter den „verbündeten“ Mächten Die Nachricht, Russland habe bei Tianjin am Baihe eine ausgedehnte „Concession“1941 erworben, sorgte in Berlin und in London für großes Aufsehen. Aus Berlin meldete der k. u. k. Botschafter: Das englische Cabinet betrachtet dies als einen Ländererwerb, welcher mit dem englisch-deutschen Abmachungen, die bekanntlich auch russischerseits gutgeheissen worden sind, in directem Wiederspruch [sic!] stehe. Zuerst hieß es - so lauten die aus Peking in London eingelaufenen Nachrichten, - dass die fragliche „Concession“ durch die Russen von den Chinesen erobert worden wäre; später erklärte man aber russischerseits, dass die fragliche Landstrecke von den Chinesen friedlich überlassen worden sei.1942 Der Botschafter Großbritanniens in Berlin, Sir Frank Lascelles, stellte im Auswärtigen Amt „die verständliche Frage [...], ob dieses Vorgehen Russland’s von hier [d. h. von Berlin] aus mit Stillschweigen übergangen werden wolle.“1943 Die deutsche Regierung, die über ihren Botschafter in St. Petersburg Auskünfte zu erlangen suchte, wollte sichergestellt sehen, dass die neue russische Konzession weder die Souveränität Chinas noch die Handelsfreiheit der anderen Mächte beeinträchtigte. Bevor diese Frage geklärt war, kursierten wilde Gerüchte über den bevorstehenden Abschluss eines chinesisch-russischen Separat-Abkommens über die Mandschurei. Ebenda, fol. 45v, Czikann an Gotuchowski, No. 4, Peking, 24.1.1901. 1940 Ebenda, fol. 40', Czikann an MdÄ, Telegramm No. 17 (2 640 Chiffre); Ebenda, fol. 72r, Czikann an MdÄ, Telegramm No. 18 (27 Chiffre), Peking, 22.1.1901. Ebenda, fol. 89, Czikann an Goluchowski, No. 6, Peking, 7.2.1901. 1941 Rüdiger Machetzki, Konzessionen und Niederlassungen. In: China-Handbuch (1974),Sp. 676- 679. „Die in den Verträgen von Tientsin [Tianjin] 1858 ausgehandelten und in den Pekinger Konventionen von 1860 bestätigten alten Konzessionen waren Ying-k’ou [Yingkou], bekannter unter dem Namen Niu-chuang [Niuzhuang], Tientsin [Tianjin], Hankow [Hankou], Kiukiang [Jiujiang], Chen-chiang [Zhenjiang] und Canton [Guangzhou], Repräsentativ fur alle diese Konzessionen war Tientsin [Tianjin], das 1860 zum Vertragshafen wurden. [...]“. 1942 HHStA, P.A. XXIX/23, fol. 210, Szôgyény an Gotuchowski, Bericht No. 5 A-M (streng vertraulich), Berlin, 30.1.1901. 1943 Ebenda, fol. 210v-211r, Szôgyény an Gotuchowski, Bericht No. 5 A-M (streng vertraulich), Berlin, 30.1.1901. 502