Georg Lehner, Monika Lehner (Hrsg.): Sonderband 6. Österreich-Ungarn und der „Boxeraufstand” in China (2002)
Die „Friedensverhandlungen“ zwischen China und den Mächten - Verlauf, Abschluss und Unmittelbare Folgen
Moriz Freiherr von Czikann hatte am 9. Januar 1901 über die Errichtung des russischen Settlements in Tianjin berichtet.1544 Czikann selbst hatte davon nur über Umwege erfahren: Der als oesterreichisch-ungarischer Acting consul fungierende königlich grossbritanische [sic!] Consul in Tientsin hat wieder, wie gewöhnlich, nicht die Zeit gefunden, über diese, denn doch nicht ganz unwichtige Angelegenheit der k. u. k. Gesandtschaft Bericht zu erstatten, so dass ich auf die mir durch meine hiesigen Collegen zukommenden Privat Mittheilungen angewiesen bin.* 1945 1946 1947 In diesem Fall hatte er vom deutschen Gesandten Mumm die Abschrift einer Circulamote erhalten, mit welcher den (General-)Konsuln in Tianjin die Erwerbung der Konzession angezeigt worden war.1546 Die neue russische Konzession sollte je mu1941 75 Taël [yin] kosten - etwa gleich viel, wie die deutsche Regierung für ihr Settlement bezahlt hatte. Nachdem die ein spitzes unregelmässiges Dreieck bildende neue russische Concession eine Ausdehnung von 3 1/2 Kilometer Länge und einen Flächenraum von cirka 1800 Hectar oder 3000 Mow, mehr als alle anderen bisherigen Settlements in Tientsin zusammen haben soll, würde der Kaufpreis ungefähr 225 000 Taels oder 3 Viertel Millionen Kronen betragen.1948 1949 * Ob diese Summe von Russland tatsächlich bezahlt oder von der späteren Entschädigung abgezogen wurde, vermochte Czikann nicht zu sagen. In diesem Kontext verwies er auf diesbezügliche Beratungen der Gesandten im Dezember 1900, wo man sich geeinigt hatte, eventuelle Separatabkommen den diplomatischen Vertretern der Verbündeten in Beijing umgehend anzuzeigen1549 - was Herr von Giers unterlassen hatte.1550 Czikann bewertete das russische Vorgehen mit größter Skepsis, das vielzitierte „Konzert der Mächte“ schien gefährdet: Man steht daher auch hier wieder vor einem neuen Versteckenspiel, welches die Befürchtung erwecken muss, dass Russland schon jetzt unbekümmert um die Aufrechterhaltung eines einmüthigen Vorgehens in der Regelung der chinesischen Frage, seine eigenen Wege zur Erlangung von Sondervortheilen wandeln will.1951 Die „Friedensverhandlungen“ zwischen China und den Mächten ... 1 44 HHStA, P.A. XXIX/15, fol. 20r-29v, Czikann an Gotuchowski, Bericht No. 2 (vertraulich), Peking, 9.1.1901. 1945 HHStA, P.A. XXIX/15, fol. 20, Czikann an Gotuchowski, Bericht No. 2 (vertraulich), Peking, 9.1.1901. 1946 Eine Abschrift dieser Note liegt Czikann’s Bericht bei. 1947 „1 Mow [mu] gleich cirka 590 Quadrat Meter“. (HHStA, P.A. XXIX/15, fol. 20\ Czikann an Gotuchowski, Bericht No. 2 (vertraulich), Peking, 9.1.1901). 1948 Ebenda, fol. 20v-21r, Czikann an Gotuchowski No. 2 (vertraulich), Peking, 9.1.1901. Im Vertrag vom 7.9.1901 wurde das Verhältnis haiguanyin - Krone mit 1:3,595 angegeben, im Januar 1901 dürfte er bei 1:3,333 gelegen sein. Zum Täel und mex. Dollar vgl. Bruno Simmersbach, Das Ende des mexikanischen Dollars, ln: Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft 75 (1920), S. 147 f. 1949 HHStA, P.A. XX1X/14, Czikann an Gotuchowski, Bericht No. 12 (vertraulich), Peking, 5.12.1900. 195,1 Giers hatte angegeben, die Okkupation wäre von den russischen Militärbefehlshabem vorgenommen worden, er selbst wäre nicht eingebunden gewesen. Cf. HHStA, P.A. XXIX/15, fol. 22, Czikann an Gotuchowski, Bericht No. 2 (vertraulich), Peking, 9.1.1901. 1951 Ebenda, fol. 22, Czikann an Gotuchowski, Bericht No. 2 (vertraulich), Peking, 9.1.1901. 503