Georg Lehner, Monika Lehner (Hrsg.): Sonderband 6. Österreich-Ungarn und der „Boxeraufstand” in China (2002)

Die „Friedensverhandlungen“ zwischen China und den Mächten - Verlauf, Abschluss und Unmittelbare Folgen

Georg Lehner - Monika Lehner Oberkommando übergeben, die strategisch günstige Linie Shanhaiguan-Niuzhuang jedoch behalten, da sie zum einen als Pfand, zum anderen für die Verproviantierung der Truppen gebraucht würde. Das ungeschickte Verhalten Waldersees trug weiter zur Verstärkung der Entrüstung in London bei. In Großbritannien wollte man sich nicht länger mit dem Geplänkel vor Ort beschäftigen, man beauftragte den britischen Vertreter in St. Petersburg, Sir Charles Scott, im dortigen Auswärtigen Amt vorzusprechen, wo man jedoch vorgab, ihm keine authentischen Auskünfte geben zu können.1927 1928 Während man in London in Waldersee einen Garanten russischer Ansprüche sah, äußerte der russische Außenminister Graf Lambsdorff unverhohlen Kritik am Oberbefehlshaber, worüber Freiherr von Aehrenthal unter anderem berichtete: Der Minister hofft auf eine weitere Klärung der Verhältnisse und meinte, dass das Ergebniß ein noch befriedigenderes gewesen wäre, wenn nicht die fortgesetzten Operationen des Feldmarschalls Waldersee neue Reizmomente in die Situation hineingetragen hätten. - Er findet, dass logischerweise diese Operationen schon längst hätten eingestellt werden können und hofft - wie gesagt, - auf friedlichere und versöhnlichere Dispositionen des Feldmarschalls, der, wie Seine Excellenz vertraulich bemerkte, zu spät auf dem Kriegsschauplätze in China eingetroffen sei und nun seine Existenberechtigung durch eine rastlose militärische Thätigkeit nachzuweisen sich bemüßigt fühle. 29 Die Frage der Bahnen blieb jedoch weiterhin in Schwebe.1930 Der zweite Vorschlag Delcassé’s, der das Waffeneinführverbot (später Artikel V der 12 Forderungen) betraf, wurde ebenfalls einstimmig angenommen.1931 Einen zentralen Punkt, über welchen rasch Einigung erzielt wurde, bildete die Frage der künftigen Sicherung des Gesandtschaftsviertels durch Gesandt­schaftswachen (4. Vorschlag Delcassé’s, später Artikel VII der 12 Forderungen): „Droit par chaque Puissance de constituer une garde permanente pour sa Légation à Pekin.“1932 Die ursprünglich Formulierung des französischen Außenministers war kurz und bündig: „Constitution par chaque Puissance d’une garde permanente pour sa Légation à Pekin.“1933 1927 Entsprechende Vereinbarungen über den Wiederaufbau der Bahnlinien waren im Herbst 1900 getroffen worden. 1928 HHStA, P.A. XXIX/23, fol. 115r-117r, Deym an Gotuchowski, No. 4 C (Vertraulich), London, 18.1.1901. 1929 Ebenda, fol. 132v-133r, Aehrenthal an Gotuchowski, No. 5 A-F, St. Petersburg, 19./6.1.1901. 1930 Ebenda, fol. 141r-145v, Aehrenthal an Gotuchowski, No. 5 F (Vertraulich), St. Petersburg, 1926.1.1901. 1931 ACNP, 2e séance, 28.10.1900 [4], 1932 ACNP, 3e séance, 31.10.1900. Gegen den ursprünglichen Vorschlag („Constitution par chaque Puissance d’une garde permanente pour sa Légation à Pekin.“) sprach sich der amerikanische Gesandte Conger aus, da die Verfassung der Vereinigten Staaten eine permanente Wache nicht zulasse. Ebenda. 1933 ACNP, 3e séance, 31.10.1900. 500

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