Georg Lehner, Monika Lehner (Hrsg.): Sonderband 6. Österreich-Ungarn und der „Boxeraufstand” in China (2002)
Österreich-Ungarn und der Beginn des Internationalen Engagements zur Unterdrückung der Unruhen in China
Georg Lehner - Monika Lehner nicht ohne Einfluß gewesen sein, und wenn ein Mal die Schiffe parat waren, so liegt es in Seiner Natur sie gleich loszulassen.533 Seinen kurzen Aufenthalt in Ischl benützte Szécsen auch zur Sondierung der Stimmung am Allerhöchsten Hoflager bezüglich der Abwesenheit Gotuchowskis. Der Kaiser selbst hatte in der Audienz keine diesbezügliche Bemerkung gemacht und auch der von Szécsen „vertraulich“ befragte Generaladjutant Seiner Majestät, Eduard Graf Paar, hatte ihm von keinerlei kritischen Äußerungen des Kaisers über die Abwesenheit seines Ministers des Äußern berichtet. Mérey gegenüber vertrat Szécsen am 22. Juli die Auffassung, dass Goluchowski „gut daran thäte“, seine Bereitwilligkeit zur sofortigen Rückkehr zu demonstrieren. Würde er diese Bereitwilligkeit in „geschickter Form“ zu erkennen geben, so würde die Antwort des Kaisers „verneinend lauten“ und der Minister hätte guten Willen und „Diensteifer“ unter Beweis gestellt.534 Wie Szécsen den Minister des Äußern wissen ließ, war Czikann davon überzeugt, dass er für die Vorbereitung seiner Reise nach China „eine gewisse Zeit“ brauchen werde und dass „seine Anwesenheit an Bord eines unserer Schiffe jetzt zu mancherlei Unzukömmlichkeiten fuhren dürfte und vor der Hand wenig nützen könnte.“ Szécsen setzte Goluchowski in seinem Schreiben vom 21. Juli jene Argumente auseinander, die auch seiner Ansicht nach gegen Czikanns Einschiffung auf einem der nach China abgehenden k. u. k. Kriegsschiffe geltend gemacht werden konnten. Zudem hegte er auch durchaus gewichtige Zweifel bezüglich der Rolle, die Czikann in China einnehmen könnte: Von den kleineren Schwierigkeiten wie Platzmangel, Flaggen, Rangs- und Etiquetten- Fragen dem oest.-ung. Escadre-Commandanten gegenüber will ich ganz absehen. Czikann könnte nur auf der ,Aspern“ bewahrt werden. Es scheint mir aber seine Stellung, einmal an Ort u. Stelle angelangt, den fremden Commandanten gegenüber eine sehr schwierige. Marine-Leute sind Civil-Personen gegenüber nie sehr entgegenkommend. Wie wird ein fremder Admiral, der über 20 000 Mann Landtruppen, eine große Escadre verfügt, sehr wichtige Interessen zu vertreten hat, dessen Land Colonien in China selbst oder in unmittelbarer Nähe hat, den diplomatischen] Vertreter eines Landes behandeln, das selbst erklärt, daß es gar nicht oder jedenfalls in solcher Weise an den chinesischen Vorgängen interessirt ist? - Es liegt mir ferne Czikann einen Vorwurf darüber machen zu wollen, daß er die Situation in Peking ganz falsch beurtheilt hat, in diesen selben Fehler sind alle seine Collegen auch verfallen, aber ich glaube kaum, daß, nach dem was vorgefallen ist, irgend Jemand und am wenigsten die fremden Admiräle auf das Urtheil Czikanns ein besonderes Gewicht legen würden. Unser Vertreter würde somit wahrscheinlich eine ziemlich traurige Rolle als fünftes Rad am Wagen spielen.535 Der Erste Sektionschef war auch in Bezug auf die Mobilität des k. u. k. Gesandten an der chinesischen Küste äußerst pessimistisch. Die Anwesenheit des diplomatischen Vertreters auf einem k. u. k. Kriegsschiff würde dieses für etwaige HHStA, Nachlass Mérey, Kart. 16, Nr. 369, fol. 30v, Szécsen an Mérey, Wien, 27.7.1900. Ebenda, fol. 29', Szécsen an Mérey, Wien, 22.7.1900. HHStA, P.A. XXIX/18, Szécsen an Goluchowski, Wien, 21.7.1900. - Vgl. dazu auch HHStA, Nachlass Mérey, Kart. 16, Nr. 369, Szécsen an Mérey, Wien, 22.7.1900: „Über Czikanns Entsendung habe ich mich in meinem gestrigen Briefe an den Minister geäußert.“ 168