Georg Lehner, Monika Lehner (Hrsg.): Sonderband 6. Österreich-Ungarn und der „Boxeraufstand” in China (2002)

Österreich-Ungarn und der Beginn des Internationalen Engagements zur Unterdrückung der Unruhen in China

rein militärischem Interessen erwogen. Die Motive für diese Überlegung lagen auf der Hand: Die lange Friedensperiode bringt es mit sich, daß unsere Officiere sich keine Kriegserfahrung aneignen können, und ich verabsäume daher keine Gelegenheit bei Ausbruch eines Krieges [...] die Zutheilung eines Officiers [...] anzustreben. Als Beispiele für eine solche Zuteilung nannte Beck die Kreta-Krise und den Burenkrieg.45' Schon seit Mitte Juli war die Aufmerksamkeit des k. u. k. Generalstabes auf die Möglichkeit der Entsendung eines Offiziers nach Ostasien gelenkt worden. Unter Datum vom 16. Juli 1900 hatte der Hauptmann des Generalstabskorps Alexander Spaits beim Chef des Generalstabs um „die ausnahmsweise Erwirkung eines der Dauer der Kriegsereignisse in Ost-Asien entsprechend langen Urlaubes nach China“ angesucht. Spaits, der damals dem in Budapest stationierten 4. Korpskommando zugeteilt war, bat um offizielle Empfehlungen und um die eventuelle Attachierung „an die eigenen oder fremden Streitkräfte“, um die Möglichkeit zu bekommen, „den militärischen Actionen an Ort und Stelle zu folgen, eventuell hierüber berichten zu können.“ Für den Fall der Genehmigung seines Ansuchens schlug Spaits auch gleich zwei Termine für seine Abreise nach China vor: entweder am 25. Juli von Fiume aus mit dem „Österreichischen Lloyd“ oder am 29. Juli von Brindisi auf einem Schiff der „Peninsular & Oriental Company“. Spaits war der englischen, französischen und italienischen Sprache mächtig und sollte nach eigenen Angaben von seinem Vater für die Reise nach China mit 3 000 Gulden unterstützt werden. Die negative Antwort des k. u. k. Generalstabes erfolgte am 6. August: [...] daß seiner Bitte nicht entsprochen werden kann, weil die Zutheilung an die eigenen oder fremden Streitkräfte nur in einer officiellen Eigenschaft möglich wäre und er für eine solche Mission derzeit nicht in Aussicht genommen ist.492 Zwei weitere Gesuche um Entsendung nach China wurden vom k. u. k. Generalstab in der Folge ebenfalls abgelehnt, die Antragsteller waren Major Ludwig Goiginger, Generalstabschef der in Lemberg gamisonierenden 11. Infanterie-Truppendivision, und Oberleutnant Eugen Freiherr von Bothmer vom in Wien stationierten Husaren-Regiment Nr. 15.493 Am 6. August 1900, noch vor Bekanntgabe der Einigung der Mächte in der Frage des einheitlichen Oberbefehls, informierte der Chef des Generalstabes das Reichs- Kriegsministerium über die wünschenswerte Entsendung eines österreichisch­Österreich-Ungarn und der Beginn des internationalen Engagements ... KA, Generalstab, Kart. 359, 1900 Glstb. 25-22/3, K. u. k. Chef des Generalstabes an Hauptmann Müller, No. 1 854 Res., Wien, 6.8.1900. KA, Generalstab, Kart. 359, 1900 Glstb. 25-22/5, Hauptmann des Generalstabskorps Alexander Spaits an den k. und k. Chef des Generalstabes, Budapest, 16.7.1900. - Spaits’ Gesuch wurde vom Generalstabschef des 4. Korps, Victor von Koller, sowie vom Kommandanten Rudolf Prinz Lobkowitz unterzeichnet. - Antwort des k. u. k. Generalstabs an die Generalstabs-Abtheilung des 4. Korps-Kommandos, Nr. 1 743 Res., Wien, 6.8.1900. KA, Generalstab, Kart. 359, 1900 Glstb. 25/22-9 (Gesuch Goiginger) und ebenda, 25-22/10 (Gesuch Bothmer). 153

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