Georg Lehner, Monika Lehner (Hrsg.): Sonderband 6. Österreich-Ungarn und der „Boxeraufstand” in China (2002)
Die Unruhen des Sommers 1900 im Spiegel Österreichischer Berichte aus China
„Kaiserin-Witwe“ Cixi unternehmen sollten — „widrigenfalls sie mit allgemeiner Revolution drohen.“'54 Am 18. August konnte Pisko dem Ministerium des Äußern den Entsatz der Belagerten telegraphisch anzeigen: Peking genommen. Vicekönige zogen mit Rücksicht auf ihnen von Europa durch die chinesischen Gesandten gegebenen beruhigenden Erklärungen ihre gestrigen Drohungen zurück.'55 Zahlreiche Informationen über die Zustände im Landesinneren verdankte Pisko dem Redakteur Fink vom in Shanghai erscheinenden „Ostasiatischen Lloyd“; von diesem dürften ihm auch die „Bilderbögen“ zur Verfügung gestellt worden sein, die am 17. November 1900 in der Sitzung der Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte präsentiert wurden.’56 Pisko beantragte am 12. September 1900 ein „Ehrengeschenk“ für Fink, da das Generalkonsulat „über keinen Dispositons-Fond verfügt“, um Nachrichten politischer Natur entsprechend zu vergüten.354 355 356 357 Das Ministerium des Äußern stimmte einige Wochen später diesem „Ehrengeschenk“ im Wert von „höchstens“ 400 Kronen an Fink zu, forderte jedoch Pisko eindringlich auf, dafür zu sorgen, dass dem Ministerium des Äußern künftig „unter diesem Titel Geldopfer [...] erspart bleiben“.358 Obwohl die Unruhen im Norden schon größtenteils ihr Ende gefunden hatten, bot die Lage in Shanghai auch noch Ende November 1900 Anlass zu einiger Besorgnis. Dem Konsularkorps lagen „unzweifelhafte Beweise“ vor, wonach vor allem aus Japan „bedeutende Mengen Chemikalien zur Erzeugung von Waffen“ importiert und von den Importeuren den chinesischen Behörden abgetreten worden waren. Wie Pisko berichtete, hatte man schon früher - wohl am Höhepunkt der Unruhen - den in Shanghai ansässigen Importeuren die Einfuhr von Waffen und Munition untersagt. Ende November sah man sich veranlasst, das Importverbot überhaupt auf alle Materialien anzuwenden, „welche zur Fabrikation von Waffen und Munition dienen.“ In ihrer Sitzung vom 27. November konnten sich die Konsuln jedoch nicht darauf einigen, wie man chinesische Schiffe unter chinesischer Flagge daran hindern könnte, an chinesische Kaufleute in Shanghai Waffen und Munition zu liefern.“ Der deutsche Generalkonsul berichtete seinen Kollegen über seinen Besuch bei Liu Kunyi in Nanjing. Dieser billigte - ähnlich wie der in Hankou residierende Zhang Zhidong - „das Verlangen nach strengster Bestrafung der Georg Lehner - Monika Lehner 354 HHStA, P.A. XXIX/14, Telegramm No. 2 291, Chiffre, Pisko an MdÄ, Shanghai, 17.8.1900. 355 Ebenda, Telegramm No. 4 764, Chiffre, Pisko an MdÄ, Shanghai, 18.8.1900. Vgl. dazu auch ebenda, Pisko an Gotuchowski, Bericht No. XCVII Polit., Shanghai, 22.8.1900. 356 Vgl. dazu Verhandlungen der Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte 32 (1900), S. 536: „Das correspondirende Mitglied Hr. Pisko in Shanghai übersendet 14 chinesische Bilderbogen, welche sich auf den jetzigen Krieg beziehen. Dieselben sind im Sitzungs-Saale ausgestellt. Der gütige Geber hat jedem der Bogen eine deutsche Erläuterung angeheftet. Natürlich erscheinen überall die Chinesen als glänzende Sieger.“ 357 HHStA, A R. F 8/223, 8 Shanghai 58/2, Pisko an MdÄ, No. CV Adm., Shanghai, 12.9.1900. 358 Ebenda, MdÄ an Pisko, Prot. Nr. 61 502/5 781/1900, Wien, 2.11.1900. 116