Georg Lehner, Monika Lehner (Hrsg.): Sonderband 6. Österreich-Ungarn und der „Boxeraufstand” in China (2002)

Die Unruhen des Sommers 1900 im Spiegel Österreichischer Berichte aus China

Erklärung Nichtintervention der Mächte in Mittel- und Südchina, solange dort Ruhe herrscht. Alle Consuln erbitten Instruktion. Beantrage Entsendung Escadre. In Vertretung des Ministers des Äußern erteilte Graf Szécsen am 3. Juli Pisko die folgende Antwort: Ich habe an Mächte Anfrage gerichtet, über deren Stellung gegenüber der chinesischen gewünschten Declaration. [...]. Entsendung einer Escadre unserseits nicht beabsichtigt zumal rechtzeitiges Eintreffen unmöglich.32 Am 3. Juli wusste man in Shanghai auch, dass die k. u. k. Gesandtschaft zerstört worden war und dass sich alle Diplomaten in die englische Gesandtschaft zurückgezogen hätten.327 Wenige Tage später wurden die in Shanghai stationierten Konsularvertreter der Mächte von Sheng Xuanhuai, dem Direktor der chinesischen Telegraphengesellschaft, informiert, dass am 2. Juli noch zwei Gesandtschaften standen, deren Beschießung zu jenem Zeitpunkt noch andauerte.328 Noch am 5. Juli hatten die Konsuln in Shanghai befürchtet, dass die bisher lokal begrenzte Bewegung ausufem könnte: Rebellion in Zunahme, wird, falls, alliirte Truppen in Tientsin nicht siegen, Mittel­und Süd-China inundiren und als nationale Bewegung die Ermordung aller Europäer und den totalen Ruin des Handels zur Folge haben. Entsendung bedeutender Kräfte ist nothwendig, um die Bewegung zu arretiren und die Vicekönige bei der Aufrechterhaltung der Ordnung zu unterstützen. Pisko war zu diesem Zeitpunkt von der Annahme ausgegangen, dass alle in Beijing eingeschlossenen Fremden bereits ermordet worden wären.329 Nach einer Mitteilung von Yuan Shikai, dem Gouverneur von Shandong, hatten die Belagerer die Beschießung der Gesandtschaften „infolge starker Verluste“ jedoch eingestellt.330 In den ersten Julitagen hatte auch der Gouverneur der Provinzen Fujian und Zhejiang (Min-Zhe zongdu), Xu Yingkui, dem Konsularkorps in Shanghai versichert, dass er ebenfalls um die Aufrechterhaltung der Ordnung in seinem Amtsbereich bemüht sei, solange dort keine ausländischen Truppen landen würden. Pisko berichtete, dass auch Yuan Shikai, Generalgouvemeur der Provinz Shandong, zu einer ähnlichen Vereinbarung mit den Konsularvertretem in Shanghai bereit gewesen sei. Die antimissionarischen Zwischenfalle hätten jedoch die Vertreter Frankreichs und Deutschlands im Namen ihrer Regierungen zu einem Veto veranlasst. In Shanghai einlaufende Nachrichten und dort kolportierte Gerüchte sprachen von einem bevorstehenden Angriff der Chinesen auf Qingdao. Weiteren Meldungen zufolge sollten sich Truppen aus Suzhou nach Beijing begeben. Aus dem Nordosten trafen Gerüchte über grausame Übergriffe auf Missionare in Die Unruhen des Sommers 1900 im Spiegel österreichischer Berichte aus China HHStA, P.A. XXIX/14, Pisko an MdÄ, Telegramm No. 1 355, Chiffre, Shanghai, 1.7.1900. Das Telegramm traf am Vormittag des 2.7.1900 in Wien ein. Ebenda, Szécsen an Pisko, Telegramm No. 689, Chiffre, Wien, 3.7.1900. Ebenda, Pisko an MdÄ, Telegramm No. 3 222, Chiffre, Shanghai, 3.7.1900. Ebenda, Pisko an MdÄ, Telegramm No. 6, Shanghai, 7.7.1900. HHStA, P.A. XXIX/14, Pisko an MdÄ, Telegramm No. 7 243, Chiffre, Shanghai, 5.7.1900. Ebenda, Telegramm No. 9 714, Shanghai, 7.7.1900. 109

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