Georg Lehner, Monika Lehner (Hrsg.): Sonderband 6. Österreich-Ungarn und der „Boxeraufstand” in China (2002)
Die Unruhen des Sommers 1900 im Spiegel Österreichischer Berichte aus China
Georg Lehner - Monika Lehner die Mannlicher-Gewehre „im letzten Kriege nicht bewährt hätten, ja fast ganz unbrauchbar gewesen wären.“ Der Verdacht auf billigen Etikettenschwindel hatte sich sehr bald erhärtet, als der japanische Konsul in Singapore von Tianjin aus verständigt worden war, eine fur China bestimmte Lieferung aus Steyr zu beschlagnahmen: Da nun die erwähnte Clique und besonders ihr commercielles Organ, Herr Mandl, das meiste Interesse daran hatte, echte Mannlicher-Gewehre aus dem Norden China’s femzuhalten, ist der Absender des anonymen Télégrammes und Schädiger unserer Industrie bald eruirt. Mandl, der - wie eine Randbemerkung zu dem Bericht festhielt - „sich 1. J. viel in Wien herumgetrieben hat“, agierte während seiner unternehmerischen Tätigkeit in China stets unter deutschem Schutz. Diese Tatsache hatte für die nach China exportierenden Firmen schwer wiegende Folgen: die Firma H. Mandl & Co. ist in den Handelsregistern der kais. deutschen Consulate (in Tientsin und Shanghai) eingetragen und hat u. a. die Agentur von F. Krupp in Essen, des Stabilimento tecnico triestino und der k. k. priv. Versicherungsgesellschaft „Donau“ inne. Zu einem Geschäfte für die beiden vaterländischen Unternehmungen ist es nie gekommen. Herr Mandl hat sich kurz nach Beendigung des chines.-japanischen Krieges mit einem Vermögen von 8-10 Millionen Francs in Paris niedergelassen. Hanneken war lange Zeit als Instrukteur bei der chinesischen Armee tätig gewesen und hatte auf chinesischer Seite während der Seeschlacht westlich der Yalu-Mündung (September 1894), in der die japanische Flotte ihre Überlegenheit eindrucksvoll demonstriert hatte, eine wichtige Rolle gespielt. Gottwald hatte zudem in Erfahrung gebracht, dass Hanneken auch das Arsenal, in dem die Seymour-Colonne beim Rückmärsche eingeschlossen wurde, und mehrere andere Fortificationen nach dem chinesisch-japanischen Kriege erbaut, die Bestellung der ,neuesten’ Mannlicher-Gewehre besorgt und auch die sonstige Ausrüstung veranlaßt hat. Die Eskalation der Ereignisse in Nordchina begünstigte Spekulationen über neuerliche Kriegsmateriallieferungen: Aus Shanghai drang die Nachricht her, dass 60 000 Stück deutsche Gewehre für die chinesische Regierung bestellt würden und demnächst dort eintreffen sollen. Es wurden die diesbezüglichen Visitationen beschlossen und hiemit ein deutscher und ein englischer Kreuzer betraut. Auch wurden die Regierungen telegraphisch ersucht, Waffen- und Munitionslieferungen an China zu verbieten und zu verhindern und allen Consuln die Visitirung nationaler Schiffe und die Beschlagnahme von nach China bestimmten Waffen etc. aufzutragen.209 Erst am 22. Juli zeigte Gottwald weitere Nachrichten über die Situation in Beijing an: Das Konsularkorps in Zhifu/Yantai war zwei Tage zuvor von Yuan Shikai verständigt worden, dass der amerikanische Gesandte Edwin Hurd Conger eine Depesche an seine Regierung gerichtet hätte und dass „alle Gesandten gerettet seien und von der chinesischen Regierung beschützt werden.“* 300 Gottwalds weitere Erläuterungen geben einen Eindruck von den damals an der Küste kursierenden HHStA, P.A. XXIX/14, Gottwald an Gotuchowski, Taku, 15.7.1900. Ebenda, Taku, 22.7.1900. 102