Sonderband 4. Das Institutionserbe der Monarchie. Das Fortleben der gemeinsamen Vergangenheit in den Archiven (1998)

János Lakos: Das Badener Abkommen und die österreichisch-ungarischen Archivbeziehungen in der Zwischenkriegszeit

Tanos T akos Die Übergabe der Dokumente wurde am Ende der 20er Jahre nicht abgeschlos­sen. Auch Jahre danach wurden Dokumente von Wien nach Budapest geliefert, die unter Wirkung des Badener Abkommens fielen. So gelangten 1933 einige Aktenbündel3, dann 1936 neuere Faszikel in den Bestand des Ungarischen Staats­archivs hinüber. Im letzteren Fall wurden vom Haus-, Hof- und Staatsarchiv zwei Faszikel des Nädasdy-Archivs, zwei Faszikel der Zrinyischen Familienakten, ein Faszikel der Korrespondenz Ampringen, vier Faszikel des Fonds der Ungarischen Statthalterei und fünf Schriftstücke der Kabinettsakten Varia sowie vom Hofkam­merarchiv ein Prozeßregister für das Jahr 1789 nach Budapest übermittelt. Viel­leicht wird es heute schon keinem schaden, wenn wir verraten, daß das Register ohne Übergabe-Übernahmeverzeichnis ins Ungarische Staatsarchiv gelangte4. Flier stellt sich die Frage, wie wir heute die aus den Wiener zentralen Archiven erfolgten Aktenauslieferung vom fachlichen Standpunkt aus beurteilen? Meiner­seits bin ich mit der im Jahre 1956 niedergeschriebenen Meinung des einmaligen Archivdelegierten Oszkar Paulinyi völlig einverstanden. Erlauben Sie mir, dies zu zitieren: „Die aus den Wiener Archiven erfolgte Aktenauslieferung ist das Ergebnis der freundlichen Vereinbarung zwischen der ungarischen und der österreichischen Regierung. Die Offenbarungen der österreichischen Partei (so die Einleitung des Gesamtinventars des Staatsarchivs) bezeigen, daß ..., die ungarischen Archi­vare nicht anderes verlangten und erhielten, was ihnen auch im Sinne der inter­nationalen Abkommen zustand. Wer das Inventar durchblättert [die Meinung von Paulinyi ist in der Einleitung des die aus Wien nach Budapest gelangten Schriftstücke bekanntmachenden Inventars zu lesen - L. J.], kann daraus feststel­len, daß wie wertvoll das darin enthaltene historische Quellenmaterial auch sein mag, ist es im Verhältnis zu dem in den Wiener Archiven aufbewahrten Quellen­material mit primärem ungarischem Interesse nur sehr gering und unangemessen weniger, als das Material, die sich andere Nationen aus Wien in denselben Jahren im Hinblick auf die eigenen Materialien erwarben. Die damaligen ungarischen Archivsansprüche bewegten sich in den durch die strenge Fachmäßigkeit festge­setzten Rahmen - und dies müssen wir auch heute unbedingt als richtig anerken­nen - und gingen von dem Prinzip aus, daß die Archivquellen in ihren sich orga­nisch ausgebildeten Zusammenhängen jederzeit belassen werden müssen und die Bestrebungen gingen nur danach, die Zurückerstattung der aus diesen Zusam­menhängen eventuell ausgerissenen Dokumente ungarischer Provenienz zu errei­chen5.“ Das Ungarische Staatsarchiv hat alle Akten, die zur Registratur irgendeiner un­garischen Behörde gehörten, in die entsprechende Registratur zurückgelegt, dem­gegenüber wurden die Urkunden aus der Zeit vor 1526 in die sogenannte Samm­lung vor Mohäcs eingereiht. Der kleinere Teil der Dokumente konnte in andere 3 MOL, Y 1 - 1934, 46. 4 MOL, Y 1 - 1936, 86. 5 Paulinyi (zit. Anm. 2). 31

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