Sonderband 4. Das Institutionserbe der Monarchie. Das Fortleben der gemeinsamen Vergangenheit in den Archiven (1998)
Pál Pritz: Geschichte des ungarischen auswärtigen Dienstes 1918-1945
Pal Pritz gen von nicht weniger als sechs südamerikanischen Ländern mit Ungarn verwaltet werden. Die brasilianische Regierung - die gegenüber jedweder Begünstigung Argentiniens sehr empfindlich war - hatte sich darüber so sehr beleidigt, daß sie eine Versetzung ihrer Gesandtschaft in Budapest nach Belgrad oder Prag in Betracht zog. Das Auftreten des in der brasilianischen Hauptstadt sehr beliebten bisherigen ungarischen Vertreters, Albert Haydin, bewog sie aber von dieser Repressalie „vorübergehend“ abzusehen10 11. Teils in Verbindung mit der Linderung der Krise, teils aber „aus wirtschaftlichen Interessen“ öffnete die Gesandtschaft in Bern anfangs 1934 wieder ihre Pforten. Nicht nur ein Wegwischen der Spuren der Restriktion, sondern bereits eine tatsächliche Entwicklung bedeutete die im April 1935 erfolgte Errichtung der Gesandtschaft in Moskau, was eine organische Fortsetzung der Aufnahme der ungarisch-sowjetischen diplomatischen Beziehungen im Februar 1934 war. Im Mai 1933 bestand das Netz der ungarischen Außen Vertretungen aus 22 Gesandtschaften, 16 Konsulaten und 73 Honorarkonsulaten. In der im Parlament über das Jahresbudget geführten Debatte wurden die Leiter vom Disz tér oft mit scharfer Kritik bedacht: daß sich der Dienst nicht genügend mit den Wirtschaftsfragen befasse, in seiner Tätigkeit das politische Element überwiegend sei. Wenn wir auch von der sehr großen Zahl der Honorarkonsulate absehen, und nur die effektiven Konsulate den diplomatischen Vertretungen gegenüberstellen, auch dann ist ersichtlich, daß eine solche Kritik ziemlich einseitig war. Natürlich könnte nur die inhaltliche Analyse der Organisierungsarbeit bei den Wirtschaftsbeziehungen der Gesandtschaften eine beruhigende Antwort auf die aufgetauchten Probleme geben - und das würde an sich eine weitere und sehr weitverzweigte Forschungsarbeit bedeuten - die Struktur aber kann kaum ein ungesundes Übergewicht des politischen Elements aufzeigen. Bis zum Anfang der dreißiger Jahre hatte sich wohl - den Anzeichen gemäß - die Arbeit des auswärtigen Dienstes, trotz den zahlreichen Sorgen, Kinderkrankheiten in den zwanziger Jahren, in vielem verbessert. Die Tätigkeit der einzelnen Abteilungen des Ministeriums wurde wohl viel harmonischer gestaltet, und allgemein wurde die Zuständigkeit des Ministeriums selbst in allen Zweigen der Außenbeziehungen von den übrigen Ministerien akzeptiert, was in der ersten Hälfte der zwanziger Jahre, besonders am Anfang, noch überhaupt kein natürlicher Zustand gewesen war. Bei den inhaltlichen Fragen aber - natürlich ist nicht von den ausgesprochen außenpolitischen Angelegenheiten die Rede - hielt der Disz tér den Standpunkt der Fachministerien weitgehend in Ehren, seine eigene Aufgabe erblickte das Außenministerium dagegen in der Koordination und in der Vertretung des ausgebildeten Standpunktes dem Ausland gegenüber11. Die Wirtschaftskrise, die schweren Kreislaufstörungen im System der internationalen Wirtschaftsbeziehungen, die in zahlreichen Fällen gänzlich unmöglich 10 Pritz 1995, 63-65 und Politisches Archiv (Bonn) Politik 8. Diplomatische und konsularische Vertretungen Ungarns im Ausland und umgekehrt. Band 2. Bericht der deutschen Gesandtschaft in Rio de Janeiro vom 28. VI. 1934. 11 Pritz 1995, 65-69. 7