Sonderband 4. Das Institutionserbe der Monarchie. Das Fortleben der gemeinsamen Vergangenheit in den Archiven (1998)

Pál Pritz: Geschichte des ungarischen auswärtigen Dienstes 1918-1945

Pal Pritz Das Jahr 1922 beginnt mit der Eröffnung einer neueren Mission in Rumänien: in Klausenburg wird eine Reisepaßabteilung geschaffen. Im Februar entsteht in der belgischen Hauptstadt eine ungarische Gesandtschaft, weiterhin werden die diplo­matischen Beziehungen zu Spanien aufgenommen. (Beide Schritte verkörpern eine Geste der Erwiderung: in der ungarischen Hauptstadt arbeiteten schon vorher eine belgische und eine spanische Gesandtschaft.) Aus Sparsamkeitsgründen wurde eine Gesandtschaft in Madrid erst 1926 errichtet, bis dahin wurden die Angelegen­heiten von Paris aus geleitet. Gleichfalls seit Februar arbeitete das Generalkonsulat in Montreal, und im März wurden die für die Vereinigten Staaten geplanten Konsu­larämter errichtet: in New York ein Generalkonsulat, in Pittsburg und Cleveland Konsularvertretungen. Die Wirtschaftskraft des Landes reichte zu diesem Zeitpunkt nicht aus in dieser Hinsicht mehr zu schaffen, in den darauffolgenden drei Jahren verlangsamte sich der Ausbauprozeß der Auslandsvertretungen wesentlich: die ungarische Flagge wurde insgesamt in fünf neuen Städten gehißt. Im März 1923 wurde in Tallinn eine ungarische Gesandtschaft eingerichtet, und vom Oktober des gleichen Jahres an half in Mailand ein Konsulat bei der Durchsetzung der ungarischen Wirtschafts­interessen. Viel später als geplant - im Mai 1924 - wurde die Gesandtschaft in der Türkei er­öffnet, die Errichtung der Gesandtschaft in Athen erfolgte darauf im November 1925. Im Mai 1927 wurden in Rio de Janeiro, 1928 in Buenos Aires ungarische Ge­sandtschaften ins Leben gerufen. Im Februar 1928 wurde auch in Kairo de jure eine Gesandtschaft aufgestellt, da die mit der Konsulargerichtsbarkeit zusammenhän­genden sog. Kapitulationsrechte Ungarn auch in Ägypten zukamen. Mit der Lei­tung dieser Gesandtschaft wurde der Gesandte in Bern beauftragt, der sich jährlich einige Wochen lang in Kairo aufhielt. Inzwischen wurden auch mehrere weitere Konsulate eingerichtet, im November 1925 in Sao Paulo, im Oktober 1926 in Agram, im Mai 1927 in Winnipeg und im August in Preßburg. Im Jahre 1930 waren also insgesamt 23 Gesandtschaften und 16 effektive Konsulate tätig. Diese wurden durch 66 Honorarkonsulate ergänzt, mit deren hohen Anzahl die Leiter der ungari­schen Außenpolitik bestrebt waren, die durch die geringe Zahl der effektiven Kon­sulate verursachten Sorgen, Spannungen zu lindern7. Während der Ausbau der ungarischen auswärtigen Vertretungen, wenn auch nur langsam aber doch fortschritt, kam die Reihe an die - bereits erwähnte - 10%ige Verringerung des Personalstandes im auswärtigen Dienst. Zur Wiederherstellung der ungarischen Volkswirtschaft nach dem Kriege hatte nämlich der Völkerbund 1924 mit harten Bedingungen - unter diesen auch auf neuere Verringerungen im Personalstand auf dem Gebiete des öffentlichen Dienstes beharrend - einen Kredit gewährt8. Diese Verringerung verschonte das Außenministerium auch deshalb nicht, weil dieses Ministerium in Ungarn nicht auf Sympathie rechnen konnte. 7 Pritz 1995, 50-52. 8 Juhäsz, Gyula: Magyarorszäg külpolitikäja 1918-1945. Harmadik, ätdolgozott kiadäs. (Die Außen­politik Ungarns 1918-1945. Dritte, umgearbeitete Ausgabe.) Bp. 1988. (Im weiteren: Juhäsz 1988) 91-93. 5

Next

/
Thumbnails
Contents