Sonderband 3. „wir aber aus unsern vorhero sehr erschöpfften camergeföllen nicht hernemben khönnen…” – Beiträge zur österreichischen Wirtschafts- und Finanzgeschichte vom 17. bis zum 20. Jahrhundert (1997)

† Peter Gasser: Karl VI., Triest und die Venezianer

Karl VI., Triest und die Venezianer 30 Kapitel umfassendes Elaborat vor, worin er alle das Litorale angehenden Fragen in ausführlichster Weise untersuchte115. Stefano Grenna ordnete die wirtschaftlichen Probleme Triests und des Litorale dem allgemeinen Interesse des Gesamtstaates unter. In seiner grenzenlosen Erge­benheit - und möglicherweise auch Überschätzung der staatlichen Mittel - hat Grenna die Schwierigkeiten, Triest zu einem europäischen Handelszentrum zu ge­stalten, vielfach nicht zur Kenntnis nehmen wollen. Auf Grennas Denkschrift werde ich noch ausführlich zurückkommen. Hier soll die Stellungnahme des Triestiners zum Zoll- und Mautproblem im allgemeinen und zur Zollpolitik der Triestiner Stadtverwaltung im besonderen wiedergegeben werden. In der Abtretung bestimmter Zoll- und Mautrechte an die Landschaft sieht Grenna ein grundlegendes Übel, da der Souverän auf sichere Einnahmen verzichte und die eigennützige Ziele verfolgende Zollpolitik der Stände eine für das Gemeinwohl nachteilige Verteuerung der Waren mit sich bringe116. Ganz im Sinne der seit 1718 tätigen Hofkommission regt der Verfasser des Sodo sistema die Überprüfüng aller dem Herrscher entfremdeten Zölle und ihre Rückgabe an den Monarchen an. Dies könnte durch Festsetzung einheitlicher Tarife für Ein- und Ausfuhr erfolgen, die dem „nascente commercio“ den erforderlichen Auftrieb verleihen würde. Das bisherige Verfahren, das sich in einer stück- und fallweisen Modifizierung der bestehenden und überholten Zollbestimmungen erschöpfte, lehnte 115 HHStA Wien, Österreichische Akten, Triest-Istrien, Fasz. 9, fol. 1-168: „Sodo Sistema per instituire, conservare ed ampliare il Nuovo Generale Commercio Austriaco nelli Litorali di Trieste, e Fiume con le regole ed avertenze terrestri e Maritime, Manifatture, e diversité de Negozii Fondi abili ad und tale Im- presa anco, per Gettare al Mare le opportune Navi, Ed in Somma tutte quello puô occorere in questa ma­teria“. Die Datierung dieses Promemorias ist nur annähernd bestimmbar. Der Verfasser bezieht sich auf den bereits erfolgten Besuch Karls VI. in Triest am 10. September 1728. Grenna regt in seiner Denkschrift auch die Gründung einer Kommerzialbehörde in Triest an - ein Vorschlag, der in der am 31. Dezember 1731 in Triest eingerichteten Kommerzialhauptintendenza zum Teil seine Verwirklichung gefunden hat. Die Abfassung der Denkschrift fällt somit in den Zeitraum von September 1728 bis Dezember 1731. In den Akten in Wien und Triest finden sich keine weiteren Hinweise über Stefano Grenna. Lediglich in Attilio T a m a r o s „Storia di Trieste“ fallt im Zusammenhang mit einem von Grenna in späterer Zeit vor­gelegten piano per aprire una facile communicazione commerciale colla Moscovia eine kurze Bemer­kung über diesen bedeutenden Mann. Dessen ungeachtet läßt das Sodo sistema einige Schlüsse über die Person seines Verfassers zu. Stefano Grenna dürfte aus Istrien bzw. direkt aus Triest gestammt haben. Als erfahrenem Seemami waren ihm Dalmatien, der schwierige Quamerogolf sowie die hafen- und buchtenreiche, auch dem fremden Seefahrer hinreichenden Schutz gewährende Küste Westistriens wohlvertraut. Mit „Agente del Comercio nel Litorale di Trieste della Maestà Vostra“, eine Position, die der Eigenschaft eines Sensals entsprechen könnte, ist von ihm eine Denkschrift unterfertigt, die eine Wiederbelebung der bankrotten Orientalischen Kompanie unter dem neuen Namen „Compagnia del Levante e mar nero“ bei gleichzeitiger Liquidierung der Außen­stellen Linz, Graz und Schwechat zum Inhalt hat. HHStA Wien, Österreichische Akten, Triest-Istrien, Fasz. 10, fol. 374'. 116 Eben da, Fasz. 9, fol. 98' „Giamai conviene ad un Sovrano alienare li Vectigali, Telonei, Pedaggi, o qualsiasi altra natura de Dazij, nepur commetterli in usufrutto, o Locazione dispotica alle Provincie stesse, o suoi Privati ...“. 71

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