Sonderband 3. „wir aber aus unsern vorhero sehr erschöpfften camergeföllen nicht hernemben khönnen…” – Beiträge zur österreichischen Wirtschafts- und Finanzgeschichte vom 17. bis zum 20. Jahrhundert (1997)

† Peter Gasser: Karl VI., Triest und die Venezianer

Peter Gasser So hatten die Griechen vieles gefordert und auf jeden Fall weniger erhalten, als man etwa einer niederländischen Deputation zu konzedieren bereit gewesen wäre. Möglicherweise hätte jener Impuls, der dem österreichischen Seehandel Jahrzehnte später nahezu ausschließlich durch die griechische Einwanderung nach Triest zuteil wurde, schon zu einem früheren Zeitpunkt eingesetzt. Zwei Monate nach der erfolgten Freihafenproklamation versetzte Karl VI. durch die Neugründung einer privilegierten Handelskompanie die öffentliche Meinung im Litorale in Unmhe und Erstaunen, ging doch die Bevorzugung von privilegierter Handelsunternehmungen über die am 2. Juni 1717 verkündeten Grundsätze glatt hinweg. Die mit dem Laxenburger Patent vom 27. Mai 1719 ins Leben gerufene Orientali­sche Handelskompanie sollte die auf dem Schutzzoll- und Monopolsystem beruhen­den ökonomischen Grundsätze verwirklichen. Dem Herrscher schwebte mit der Errichtung der Porti franchi in Triest und Fiume wie mit dieser Gesellschaftsgrün­dung dasselbe Ziel - die Hebung des Handels - vor. Nur wichen die Mittel diametral voneinander ab. Betonte einerseits der Freihafen die Unbeschränktheit, so bezweckte andererseits die privilegierte Kompanie eine mit dem Grundsatz der Handelsfreiheit schwer in Einklang zu bringende Monopolisierung des Verkehrs. Das Laxenburger Patent zählte in 10 Punkten die Privilegien, Immunitäten, Benefizien, Vorteile, Rechte und Pflichten des neugegründeten Unternehmens auf. Der Gesellschaft, an der sich jeder In- und Ausländer durch unbeschränkte Erwer­bung von Aktien im Nominalwert von 1 000 Rheinischen Gulden pro Stück beteili­gen konnte, wurde das ausschließliche Recht eingeräumt, „mit allen dem menschli­chen Commercio unterliegenden Kaufmannsgütern“ zu Lande und auf den Flüssen, d. h. in erster Linie auf der Donau, von und nach der Türkei „en gros“ Handelsge­schäfte abzuwickeln96. Sie durfte ferner in Wien, Belgrad „und wo sie es nöthig be­finden sollte“ Niederlagen und auf den ihr unentgeltlich zugewiesenen Grundstücken Magazine und Packhäuser errichten97. Auch erhielt sie bei Anlegung neuer Fabriken und Manufakturen besondere Vorrechte und unter Umgehung der bestehenden Zunftordnungen die Erlaubnis, Handwerker und Künstler aus dem In- und Ausland für ihre Dienste heranzuziehen. Außerordendlich günstig war auch die Behandlung, die die Kompanie in Zoll- und mauttechnischen Belangen erfuhr, wurde doch der von ihr zu entrichtende Zoll beim Bezug türkischer Waren auf 3 % herabgesetzt. Selbst im Falle eines bewaffneten Konfliktes Österreichs mit der Pforte sollte der Gesellschaft gegen Entrichtung eines 5prozentigen Transit- und Konsumzolles die Weiterfiihrung der Geschäfte erlaubt bleiben. Für das neugegründete Unternehmen galt lediglich das Wechselrecht und sämtli­che Gerichtsstellen. Militärbefehlshaber und Zivilbeamte waren angewiesen, es im 96 AVA Wien, Patentesammlung, Karton 9: Patent vom 27. Mai 1719. 57 Ebenda:,,... Selbsten neue Manufacturen und Fabriquen so in Unseren Ländern noch nicht seynd, an- und einzurichten, oder auch die im Land sich befindliche, fiimemlich ad usum Orientalium zu meliorieren, besondere Privilegien und ersprießliche Vortheil Allergnädigst ertheilen, anbey nicht zugeben, daß man die Waren, so die Compagnia erfindet, und machen lasset, anderen verkaufte ...“. 62

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