Sonderband 3. „wir aber aus unsern vorhero sehr erschöpfften camergeföllen nicht hernemben khönnen…” – Beiträge zur österreichischen Wirtschafts- und Finanzgeschichte vom 17. bis zum 20. Jahrhundert (1997)

† Peter Gasser: Karl VI., Triest und die Venezianer

Karl VI.. Triest und die Venezianer Der Kreis fremder Handelsleute, die, von der an der Grenze zu entrichtenden 3prozentigen Warenwertabgabe abgesehen, von allen sonstigen landesfürstlichen, städtischen, Privat- oder Herrschaftsmauten und Zöllen nunmehr befreit sein sollte, war mithin größer als angenommen93. Zwar hatte die türkische Regierung auch den kaiserlichen Untertanen dieselben Zollerleichterungen eingeräumt, doch wirkten sich diese nur im bescheidenem Ausmaße positiv auf die Stadtfinanzen aus, da weit mehr „Türken“ auf kaiserlichem Hoheitsgebiet - man denke nur an die ungezählten Wan­derhändler in Ungarn und Kroatien - als österreichische Kaufleute im Osmanischen Reich Handel trieben. Dank der schwachen Industriekapazität der Türkei barg diese Entwicklung keine Gefahr für die erbländische Wirtschaft in sich, doch erkannte man in Wien erst zu spät, daß der Passarowitzer Handelsvertrag in manchen seiner Punkte eher der Hohen Pforte als dem Kaiser Vorteile bringen würde. Auch nach Persien - Sultan und Kaiser hatten sich über die zollmäßige Behandlung der irani­schen Händler in Passarowitz geeinigt -, gedachte Sinzendorf zu gegebener Zeit „ein capables subjektum“ zu Vornahme merkantiler Studien zu entsenden94. Vertrauend auf die im Patente vom 2. Juni 1717 angekündigten Versprechungen, wollte sich eine größere Anzahl Griechen in Buccari bzw. Porte Rè als österreichi­sche Untertanen ansiedeln. Sie entsandten eine von einem gewissen Stephano Sera­phim geführte Abordnung nach Wien, die bei dem Grafen Sinzendorf vorsprach und in der Folge auf die weiteren Beschlüsse der mit der Auswertung der Passarowitzer Ergebnisse betrauten Kommission einen weitgehenden Einfluß zu gewinnen versuch­te. Ein „Ad-hoc-Ausschuß“ der Hofkanzlei befaßte sich am 29. August 1718 mit den von Seraphim vorgebrachten Anregungen und Bitten93. Diese Wünsche umfaßten das Recht der freien Religionsausübung, die Bewilligung zu einem Kirchenbau in Buc­cari und die ausschließliche Überlassung des künftigen von Buccari und Porto Rè ausgehenden Seehandels nach der Levante. Die erste Bitte wurde Ihnen bereitwillig zugestanden, die zweite jedoch mit dem Hinweis auf ihre zu geringe Kopfzahl als noch nicht „de tempore“ versagt. Der dritte Punkt wurde, da es den im Junipatent 1717 verkündeten Grundsätzen widersprach, entschieden abgelehnt. Ebensowenig Erfolg hatte der Vorschlag Seraphims, die einzurichtenden Konsulate in der Levante (abgesehen von Smyrna, Damaskus und Alexandrien) ausschließlich mit Angehöri­gen seiner Nation zu besetzen. Der Delegation wurde schließlich nur der „Allerhöchste Schutz“ für die Nation, der man das „Comercium sowohl in mari mediterraneo per imperium ottomanicum, als auch in mari adriatico“ frei ausüben lassen wollte, die Ausfolgung eines gedruck­ten Exemplares des Passarowitzer Vertragswerkes und Empfehlungsschreiben an den österreichischen Residenten in Konstantinopel zugesagt bzw. in Aussicht ge­stellt. 93 HHStA Wien, Österreichische Akten, Triest-Istrien, Fasz. 9, fol. 191' bis 200” und 209' bis 219v, Sit­zungsprotokoll vom 27. August, 3. September und 9. September 1718. Ebenda, fol. 181', Sitzungsprotokoll vom 7. September 1718. 93 Ebenda, fol. 202'bis 206", Sitzungsprotokoll vom 9. September 1718. 61

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