Sonderband 3. „wir aber aus unsern vorhero sehr erschöpfften camergeföllen nicht hernemben khönnen…” – Beiträge zur österreichischen Wirtschafts- und Finanzgeschichte vom 17. bis zum 20. Jahrhundert (1997)
† Peter Gasser: Karl VI., Triest und die Venezianer
Peter Gasser te88 89. Das Verhältnis zu den Barbaresken stellte ein in erster Linie Neapel und Sizilien, aber wohl kaum Triest oder gar Fiume ernstlich berührendes Problem dar-ein Problem, das nach dem Verlust der süditalienischen Königreiche die erbländische Handelsschiffahrt nur mehr am Rande beschäftigte. Kehren wir nunmehr zur Situation nach dem Passarowitzer Friedens- und Handelsvertrag vom 27. Juli 1718 zurück. Unter dem Vorsitz des Obersthofkanzlers Grafen Philipp Ludwig Sinzendorf tagte in Wien am 7., 18. und 27. August sowie am 3. bzw. 9. September 1718 eine Kommission, die die Passarowitzer Ergebnisse praktisch auswerten und die künftigen Wege der österreichischen Handelspolitik mit der Levante vorzeichnen sollte. Als erste Voraussetzung zur Erreichung der gesteckten Ziele hielt dieser Kreis die beschleunigte Fertigstellung der im Jahre 1716 begonnenen Straßen nach der Adriaküste und die Einrichtung von „porti privileggiati“ in Triest und Fiume für erforderlich85. Die Kommision empfahl der Hofkammer, bei der Erteilung von Flaggen- und Schiffahrtspatenten großzügig zu verfahren, wobei den Kauf- und Schiffsleuten die Führung der kaiserlichen Flagge auf dem Meere zur Pflicht gemacht und auf der Donau nahegelegt wurde90. Zur Einleitung merkantil-maritimer Beziehungen zur Türkei und der Levante beschloß die vorerwähnte Kommision, einen commercii Verständigen und mit den Bestimmungen des Passarowitzer Handelsvertrages vertraut gemachten Holländer mit einer Warenkollektion von „Neapoli, weillen es von dort aus am füglichsten geschehen kann“ nach Konstantinopel zu entsenden. Dieser Vertrauensmann sollte sich dann an Ort und Stelle über die Absatzmöglichkeiten der erbländischen Produktion informieren91. Es geht aus den Akten nicht klar hervor, ob dieser Plan auch in die Tat umgesetzt werden konnte. Für die weitere Gestaltung der österreichisch-türkischen Beziehungen kam ihm jedoch insofeme Bedeutung zu, als er die Dringlichkeit, österreichische Handelsvertretungen in der Levante zu errichten, bestätigte. So kam man überein, gleichsam als „praecursores legationis“ Vertrauensleute nach Smyrna, Damaskus und Alexandrien zu entsenden, deren Status dem des in Venedig von der Hofkanzlei und dem Spanischen Rate angestellten Konsuls künftighin gleichgestellt werden sollte. Die Vergabe dieser Stelle war, um die „Consolation der Nationen zu beachten“, paritätisch unter Personen deutscher und italienischer Nationalität geplant92. Ausführlich befaßte sich die Kommision am 27. August und 3. September 1718 mit dem Begriff „türkischer Untertan“. Sichtlich betroffen gelangten Sinzendorf und seine Mitarbeiter zur verspäteten Erkenntnis, daß dieser Sammelbegriff nach dem Buchstaben der Passarowitzer Verträge auch die Griechen und Levantiner einschloß. 88 HHStA Wien, StA Türkei I (Turcica), Karton 468. 89 HHStA Wien, Österreichische Akten, Triest-Istrien, Fasz. 9, fol. 175' bis 183", Sitzungsprotokoll vom 7. August 1718. 90 Ebenda, Fasz. 9, fol. 185'bis 190” Sitzungsprotokoll vom 18. August 1718. 91 Ebenda, Sitzungsprotokoll vom 7. August 1718. 92 Ebenda. 60