Sonderband 3. „wir aber aus unsern vorhero sehr erschöpfften camergeföllen nicht hernemben khönnen…” – Beiträge zur österreichischen Wirtschafts- und Finanzgeschichte vom 17. bis zum 20. Jahrhundert (1997)

† Peter Gasser: Karl VI., Triest und die Venezianer

Karl VI., Triest und die Venezianer Tunis und Tripolis auf taube Ohren. Auch waren die erlittenen Niederlagen nicht dazu angetan des Sultans Prestige in Nordafrika zu erhöhen. Gemäß seiner in Passarowitz gegebenen Versprechungen unternahm Sultan Ach­med III., den undankbaren, und wie man in der Folge auch sehen wird, erfolglosen Versuch, von den Algeriern, Tunesiern und Tripolitanern die Anerkennung seiner mit dem Kaiser abgeschlossenen Verträge zu erreichen85. Offiziell zwar noch als „unüberwindlicher Herr“ tituliert, praktisch jedoch in die Rolle eines Vermittlers zurückgedrängt, mußte der Padischah, den tatsächlichen Kraftverhältnissen Rechnungen tragend Zusehen, wie der Kaiser direkt am 25. September 1725 mit dem Dei von Tunis, am 16. April 1726 mit Achmed Pascha von Tripolis und am 8. März 1727 mit den Machthabern in Algier Friedens- und Handelstrakte abschloß. Das Zustandekommen dieser Verträge war nicht allein der Geschicklichkeit des kaiserlichen Residenten bei der Pforte, Johannes von Schonamille, als vielmehr der Tatsache zu verdanken, daß sich die bei den Barbaresken überaus beliebten türki­schen Großwürdenträger Ismail Aga und Mustafa Pascha sehr aktiv in die Verhand­lungen eingeschaltet hatten86. Im wesentlichen gleichlautend, sahen die in 13 Artikeln zusammengefaßten und in der Folge des öfteren modifizierten Abmachungen des Kaisers mit Algier, Tunis und Tripolis außer der merkantilmäßigen gleichen Behandlung der gegenseitigen Unter­tanen auch die Errichtung von Konsulaten durch die Vertragspartner vor. In den Jahren 1731 und 1732 hatte Venedigs Botschafter Daniele Bragadin wie­derholt Beschwerde über die mit den Kantonen der Barbaresken geschlossenen Ver­träge geführt und zwar mit der Begründung, daß dadurch auch Korsaren und See­räubern Asyl in den Häfen Süditaliens gewährt würde. Bragadins Nachfolger Marco Foscarini, Sohn des Nicolö und der Eleonora Loredan, wohl die profilierteste Per­sönlichkeit unter den venezianischen Vertretern an der Hofburg - in der Folge sollte er Procuratore di San Marco und 1762 sogar Doge werden - spricht in diesem Zu­sammenhang von „accordi indecentissimi“87. Vertragsverletzungen auf der einen Seite, aber auch dem Umstand, daß österrei- chischerseits die Ausfolgung der Schiffahrts- und Flaggenpatente in vielen Fällen leichtfertig erfolgte, war es zuzuschreiben, wenn es ungeachtet dieser feierlichen Friedens-, Freundschafts- und Handelstraktate immer wieder zu unliebsamen Zwi­schenfallen kam. So entschuldigte sich z. B. Achmed Ben Yussuf von Tripolis im Oktober 1728 und am 25. März 1729 gegenüber dem Kaiser und dem Prinzen Eugen wegen der vertragswidrigen und ohne sein Wissen und Wollen erfolgten Wegnahme neapolitanischer Schiffe. Einige Monate später, im Oktober 1729, war er es, der in Wien einen geharnischten Protest gegen die Exzesse sizilianischer Korsaren einleg­85 AVA Wien, Patentesammlung, Karton 9, Handels- u. Schiffahrtsvertrag von Passarowitz vom 27. Juli 1718, Artikel XIII. 86 HHStA Wien, StA Türkei I (Turcica), Karton 468. Foscarini : Storia arcana (wie Anm. 13), S. 97. 59

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