Sonderband 3. „wir aber aus unsern vorhero sehr erschöpfften camergeföllen nicht hernemben khönnen…” – Beiträge zur österreichischen Wirtschafts- und Finanzgeschichte vom 17. bis zum 20. Jahrhundert (1997)

† Peter Gasser: Karl VI., Triest und die Venezianer

Peler Gasser richte konnte nur im Beisein des Konsuls und eines Dolmetsches erfolgen, die im Falle eines begründeten Schuldspruches für die Überstellung der Verurteilten an die kaiserlichen Gerichte zu sorgen hatten81. Prozesse zwischen türkischen und kaiserlichen Untertanen konnten nur dann, wenn der Wert des umstrittenen Objektes den Betrag von 3 000 Asperos oder 25 Taler nicht überschritt, vor türkischen Bezirks- und Provinzialgerichten, ansonsten ausschließlich vor den höheren Justizinstanzen in Kostantinopel abgewickelt wer­den. Ferner durften kaiserliche Handelsschiffe schwebender Prozesse wegen nicht an der planmäßigen Abfahrt gehindert werden. In solchen Fällen hatten die örtlichen Konsulatsbehörden für die rasche Liquidierung der Angelegenheit zu sorgen. Ausdrücklich von jeder Geschenkleistung an Paschas oder sonstigen Ortsgewalti­gen befreit, durften die aus dem Reiche und den Erblanden kommenden Kaufleute in diesem Zusammenhang in keiner Weise benachteiligt oder gar erpreßt werden. End­lich waren die türkischen Behörden vertragsmäßig auch zur ungesäumten Ausfol- gung der Effekten verstorbener österreichischer Händler an die nächstgelegenen kaiserlichen Konsulate verpflichtet. Der Artikel VI des Handelsvertrages räumte den türkischen Untertanen und ihren konsularischen Status genießenden Handelsvertretern, den sogenannten „Procura­tores“ oder „Sachbender“, analoge Rechte und Begünstigungen im Reiche und in den Erblanden ein82. In weiteren Vertragspunkten wurde die Tätigkeit der Sensale und u. a. auch die bei allfalligen Übertritten kaiserlicher Untertanen zum Islam einzuhaltenden Formalitä­ten geregelt. Abschließend kamen beide Mächte überein, die persischen Kaufleute dahingehend zu begünstigen, als ihnen in den kaiserlichen Ländern nur ein einmaliger Einfuhr­zoll von 5 % des Warenwertes und in der Türkei darüber hinaus nur noch die übli­che „Reffiie“ auferlegt werden sollte83. Im Frieden von Passarowitz verpflichtete sich die Pforte u. a. auch zur Liquidie­rung der Piraterie in Dulcigno (Dulcinj)84. Fraglich war es, ob auch die nordafrikanischen Barbaresken, die Stadtstaaten Al­gier, Tunis und Tripolis die Passarowitzer Verträge anerkennen würden. An einer diesbezüglichen Klärung waren begreiflicherweise vor allem die süditalienischen Untertanen Karls VI., die neapolitanischen und sizilianischen Kauffahrer interes­siert. In dem Padischah erblickten die Machthaber Nordafrikas, die Deis, Beis und Begs, schon seit geraumer Zeit nur mehr ein geistiges, aber kein potentielles Oberhaupt. Die aus Konstantinopel einlangenden Fermans stießen nicht selten daher in Algier, 81 AVA Wien, Patentesammlung, Karton 9, Handels- u. Schiffahrtsvertrag von Passarowitz vom 27. Juli 1718, Artikel V. 82 Ebenda, Artikel VI. 83 Ebenda, ArtikelXIX. 84 Ebenda, ArtikelXIII. 58

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