Sonderband 3. „wir aber aus unsern vorhero sehr erschöpfften camergeföllen nicht hernemben khönnen…” – Beiträge zur österreichischen Wirtschafts- und Finanzgeschichte vom 17. bis zum 20. Jahrhundert (1997)

† Peter Gasser: Karl VI., Triest und die Venezianer

Peter Gasser Fortpflanzung derer Commercia“ forderte der Kaiser die fremden Staaten zur Ent­sendung von Handelsvertretern nach Triest und Fiume auf, wobei er in einem seine bereits 1717 gemachten Versprechungen alle gedenklich Real und Personal- freyheiten zu ertheilen, welche in anderen florirenden Handelsstätten jemahls ertheilet wordenwiederholte65. In Erwartung einer nun anhebenden Aufwärtsentwicklung ihrer Stadt, nahm die von Gabriel von Marenzi angeführte zahlen- und einflußmäßige schwächere Gruppe des Triestiner Gemeinderates begeistert die kaiserliche Initiative auf. Der in Wien und Graz über gute Verbindungen verfugende Marenzi beeilte sich, der inneröster­reichischen Hofkammer einen Plan des Triestiner Hafens mit mehr oder minder genauen Angaben seiner Wassertiefe vorzulegen. Zugunsten einer allfälligen künfti­gen wirtschaftlichen Prosperität zeigte sich die Gruppe um Maranzi zum Verzicht auf eigene der Stadt zugebilligte Vorrechte bereit. Über das Wohl und Wehe Triests gebot jedoch weitgehendst die konservative Mehrheit im Stadtsenat, die jedem Kom­promiß abhold, auf den alten, der Stadt von Herzog Leopold III. bereits 1382 ver­brieften und in der Folge immer wieder bestätigten Rechte beharrte. In der Annah­me, daß das geplante Freigebiet nicht nur den Hafen, sondern die ganze Stadt um­spannen würde, befürchteten sie eine zwangsläufige Überprüfung der oben erwähn­ten Privilegien. Unter Anwendung einer halsstarrigen und passiven Verhandlungstaktik setzte das konservative Patriziat dieser zwangsläufig notwendig gewordenen Entwicklung seine brüchig gewordenen Kräfte nicht ohne Erfolg entgegen. Zwar bedeutete es einen Erfolg für die Wiener Zentralstellen, daß die Handels- und Wechselgerichtsordnung vom 20. Mai 1722 auch vom Triestiner Stadtrat angenommen werden mußte™. Das Recht, den Triestiner Gemeindevorsitzenden zu ernennen, konnte die Wiener Regie­rung auch nach langwierigen Verhandlungen im Jahre 1723 nicht erzwingen. Die­ser, auf eine grundlegende Änderung der Stadtverfassung hinzielende Versuch, scheiterte an den stürmischen Protesten des konservativen Patriziats, dem es 1727 sogar gelang, den Neudruck und damit die Bestätigung der im Jahre 1550 festgesetz­ten Gemeindestatuten durchzusetzen. Bedeutete letzteres auch nur einen symboli­schen Akt, so zeigte er doch treffend die geistige Haltung der tonangebenden Bürger an. Marenzi ersparte seinen Amtsgenossen in diesem Zusammenhang nicht den Vor­wurf der Sabotage an Stadt und Hafen. Seinen Versuchen, das konservative Element durch Reform in der Gemeindeverwaltung zu entmachten, blieb der Erfolg jedoch versagt. In der Praxis wirkte sich die Freihafenerklärung allerdings anders aus, als es Ma­renzi erhofft und die Gegenpartei befurchtet hatte. Das Patent vom 18. März 1719 schuf eigentlich nur einen Punto franco, ein Freigebiet, das den eigentlichen Hafen, die neu erbauten Generalmagazine und angrenzende private Lagerhäuser umschloß. AVA Wien, Patentesammlung, Karton 9. 70 Ebenda und Löwenthal: Geschichte der Stadt Triest, S. 166. 54

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