Sonderband 3. „wir aber aus unsern vorhero sehr erschöpfften camergeföllen nicht hernemben khönnen…” – Beiträge zur österreichischen Wirtschafts- und Finanzgeschichte vom 17. bis zum 20. Jahrhundert (1997)

† Peter Gasser: Karl VI., Triest und die Venezianer

Peter Gasser Das Promemoria vom 12. August 1733 gipfelt in der Feststellung, daß nur die ein­gangs angeführte Flottenstärke die Freiheit der Schiffahrt und mithin das Aufblühen des österreichischen Seehandels herbeiführen und garantieren könne. Seehandel und Seerüstung waren aber untrennbar miteinander verbunden57. Pallavicini konnte sich von der vornehmlich nach dem westlichen Mittelmeer aus­gerichteten Handelstradition seiner Heimatstadt nicht ganz befreien, zudem mußte er Neapel und Sizilien, die sich 1733 noch im Besitz Karl VI. befanden, in das Konzept seiner Marinestrategie miteinbeziehen. Daß er von der Unhaltbarkeit der süditalieni­schen Besitzungen im Ernstfall überzeugt war, deutete doch der Umstand an, daß er nur im nordadriatischen Küstengebiet die Neuerrichtung bzw. die Ausgestaltung der vorhandenen Werften und Arsenale befürwortete. Noch im gleichen Jahre 1733 überstürzten sich, bedingt durch den Ausbruch des polnischen Thronfolgekrieges die Ereignisse. Pallavicini mußte auf sein kaum ent­worfenes Flottenbauprogramm verzichten. Der Flottenkommandant sah nunmehr seine Hauptaufgabe in der Abwehr einer franko-spanischen Landung in Triest. Zu diesem Zwecke zog er 600 Mann Besat­zung der beiden vor Triest ankernden Galeeren und eine größere Anzahl Robot- pflichtiger aus dem Karste zu Befestigungsarbeiten heran. Seiner Meinung nach sah der feindliche Operationsplan die Bildung eines Brückenkopfes in der Umgebung von Triest vor, der den Nachschub für die in Italien kämpfenden kaiserlichen Trup­pen zu unterbinden hatte. Mit 1 000 in Krain und Bergistrien ausgehobenen Miliz­soldaten sowie 2 000 Mann kampferprobter Truppen aus Ungarn, glaubte Pallavicini die feindlichen Aktionen unterbinden zu können. Die Friedensbereitschaft des Kaisers verhinderte die befürchtete Landung im Lito­rale. Karls VI. Prestige ging aus diesem Kriege arg erschüttert hervor, wenn auch der materielle Verlust, die Abtretung des süditalienischen Königreichs und vorüber­gehend auch Mailands durch die zugesagte und wohl zu erwartende Erbfolge in der Toskana weitgehend wettgemacht erschienen. Für einen weiteren Kriegsschilfbau zur Sicherung der Handelsschiffahrt trat allerdings ab 1736 ein Stillstand ein. Ver­nachlässigt und unbeachtet vermorschten die Reste der kaiserlichen Flotte, mit deren Geschützen in der Folge die Donauflottille bestückt wurde, vor Triest und Porto Rè. Das einzige bedeutende Kriegsschiff, die „S. Carlo“, sank 1737 vor Anker liegend im Triester Hafen58. Karl VI. wollte von Triest und Fiume aus den österreichischen Seehandel nach dem westlichen Mittelmeer, nach der Levante und noch weiter gegen Osten führen. 57 HHStA Wien, Österreichische Akten, Triest-Istrien, Fasz. 9, fol. 560v „Giunta che sia la Marina a questo grado di forza, e di perfezione sarà in Stato di sostenere la Liberia della navigazione; e cosi la Marina ser­vira di sicurezza alla prosperità del Commercio, e la prospérité del Commercio accelerarà il progresso della Marina“. 5! Einer in maria-theresianischer Zeit errichteten Mole soll das Schiffswrack als Unterbau gedient haben. Geschichtlich erwiesen ist es aber nicht. Die besagte, in der Folge wesentlich erweiterte Mole führte die Bezeichnung „Molo S. Carlo“ und wurde nach dem Ersten Weltkrieg zu Ehren des ersten im November 1918 in Triest eingelaufenen italienischen Zerstörers „Audace“ in „Molo Audace“ umgetauft. 50

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