Sonderband 3. „wir aber aus unsern vorhero sehr erschöpfften camergeföllen nicht hernemben khönnen…” – Beiträge zur österreichischen Wirtschafts- und Finanzgeschichte vom 17. bis zum 20. Jahrhundert (1997)
Helmut Fiereder: Österreichische Wirtschaftsplanung nach 1945
Helmut l'iereder war die heimische Industrie vor allem auf die Erzeugung leichtindustrieller Güter ausgerichtet und im Wiener Becken konzentriert. Das klassische Zentrum der Montanindustrie lag in der Obersteiermark. Durch die bis 1945 im Sinne der Tiefenrüstung des Dritten Reichs getätigten Investitionen verschob sich das Schwergewicht nach der Grundstoffseite, die neuen Werke wurden überwiegend in Oberösterreich errichtet7. Allerdings kamen viele dieser Großbauvorhaben nicht zum Abschluß. Dies galt in besonderem Maße lür die Linzer Hüttenbetriebe. Die hier errichteten Anlagen blieben Torsi und waren unter normalen, friedenswirtschaftlichen Bedingungen nicht wirtschaftlich zu führen und daher auf den Märkten nicht konkurrenzfähig. Außerdem erlitt die gesamte eisenschaffende Industrie erhebliche Kriegsschäden. Bei den wichtigsten Werken, Donawitz und Linz, erreichten diese Verluste je annähernd 20 Millionen Schilling (Wert 1946)8. Dazu kam noch die Besetzung des Landes durch die vier Alliierten. Diese nahmen als Militärregierungen besondere Rechte wahr. So galten auch, von einigen unbedeutenden Ausnahmen abgesehen, die Werke der Grundstoffindustrie zufolge des Potsdamer Abkommens als Deutsches Eigentum und fielen somit den Besatzungsmächten in deren jeweiligen Zonen zu. Und nach eigener Interessenslage verfuhren die Militärregierungen nun in ganz unterschiedlicher Weise mit diesen Industriekomplexen. Eine eigenständige Wirtschaftspolitik der Bundesregierung war aufgrund dieser Rahmenbedingungen in der unmittelbaren Nachkriegsphase fast unmöglich. Dennoch schuf sich die aus den Wahlen vom November 1945 hervorgegangene Regierung Figl mit dem Bundesministerium für Vermögenssicherung und Wirtschaftsplanung (BMfVuW, nach dem Ressortchef Peter Krauland meist Ministerium Krauland genannt) ein volkswirtschaftliches Steuerungsorgan, welches schnell, unbürokratisch und entschieden in die Weichenstellungen für die weitere Entwicklung der österreichischen Industrie eingriff. Trotz der frühen Auflösung nach nur vier Jahren hat dieses Ministerium die heimische Volkswirtschaft bis heute mit geprägt. In vieler Hinsicht blieb das Bundesministerium für Vermögenssicherung und Wirtschaftsplanung in der Geschichte der Zweiten Republik eine Ausnahmeerscheinung. So erhielt das Ministerium eine für österreichische Zentralbehörden recht ungewöhnliche personelle Ausstattung, neben (aus anderen Ressorts übernommenen) Verwaltungsbeamten vor allem jüngere Fachleute aus Wirtschaft und Technik. Zwar entsprachen die seit Jahresbeginn 1946 aufgebauten Planungsstäbe in Form und Aulbau der traditionellen Hoheitsverwaltung, ihre Mitarbeiter rekrutierten sich aber zumeist aus der Industrie sowie den Kammerorganisationen. Und es waren insbesondere diese jüngeren Fachleute, welche die entscheidenden Planungsarbeiten leisteten. Nur im Bereiche der engeren Hoheitsverwaltung stützte man sich auf gelernte Verwaltungsbeamte. Es darf vermutet werden, daß diese für die österreichische Verwaltung in der 7 Dieser Strukturwandel bei gleichzeitiger Verschiebung des industriellen Schwergewichts nach Westen wurde in der heimischen Forschung immer wieder beschrieben. Siehe dafür Weber, Fritz: Österreichs Wirtschaft in der Rekonstruktionsperiode nach 1945. In: Zeitgeschichte 14 (1987), S 267 -298. 8 Für die österreichische Großeisenindustrie bis 1945 vgl. Fiereder, Helmut: Reichswerke „Hermann Göring“ in Österreich (1938-1945). Wien-Salzburg 1983. 194