Sonderband 3. „wir aber aus unsern vorhero sehr erschöpfften camergeföllen nicht hernemben khönnen…” – Beiträge zur österreichischen Wirtschafts- und Finanzgeschichte vom 17. bis zum 20. Jahrhundert (1997)
Helmut Fiereder: Österreichische Wirtschaftsplanung nach 1945
Österreichische Wirtschaftsplanung nach 1945 Zweiten Republik ziemlich einzigartige Struktur mit eine der Voraussetzungen der beachtlichen Leistungen des Ministeriums Krauland war. So wurde beispielsweise der Stahlplan von nur zwei Mitarbeitern in nur 18 Monaten erarbeitet. Ausdrückliche Anerkennung und (meist) auch uneingeschränkte Zustimmung fanden die der US-Militärregierung vorgelegten Arbeiten immer wieder auch bei deren äußerst kritischen Wirtschafts- und Montanfachleuten, die diese österreichischen Dokumente auch auf internationaler Ebene wiederholt als vorbildlich erklärten. Bedeutende Beispiele solcher Planungen waren, wie schon erwähnt, der 1946 entstandene Kohleplan, vor allem aber der im Jänner 1948 vorgelegte Eisen- und Stahlplan9. Das kurzlebige Bundesministerium für Vermögenssicherung und Wirtschaftsplanung, als wohl wichtigstes wirtschaftspolitisches Steuerungsinstrument der österreichischen Zentralverwaltungsbehörden während der zweiten Hälfte der 1940er Jahre, nahm damit einen bis heute weitgehend unbeachteten Anteil an der Neustrukturierung der österreichischen Industrielandschaft, wobei die Grundstoffindustrie im Vordergrund der seinerzeitigen Planungstätigkeit stand. War der österreichische Kohleplan noch diktiert von der 1946 in ganz Europa herrschenden katastrophalen und schier ausweglosen Energienot, so spiegelte der Eisen- und Stahlplan 1948 bereits eine durch den unmittelbar bevorstehenden Marshallplan angeregte optimistische Einschätzung der kommenden Wirtschafts- entwicklung wider. Es war im Jahre 1946 dringlichste Aufgabe des Bundesministeriums für Vermögenssicherung und Wirtschaftsplanung, den alles lähmenden Mangel an fossilen Energieträgern irgendwie zu steuern. Der Kohleplan war somit die österreichische Variante des europaweiten, auf kurzfristige Ergebnisse zielenden Krisenmanagements, vergleichbar etwa den Sparta-Plänen für die britische Zone in Deutschland10 11. Ganz anderen Charakter hatte hingegen der ab Sommer 1946 in Angriff genommene Eisen- und Stahlplan. Dieser war ein mittelfristig angelegter Rahmenplan für die Entwicklung der gesamten heimischen Eisenhüttenindustrie, unbeschadet der Eigentumsverhältnisse. Der österreichische Stahlplan entsprach daher dem Muster westeuropäischer Modemisierungspläne, wie zum Beispiel dem französischen Monnet-Plan oder dem britischen Steel-Development-Plan“. Im Gegensatz zu Frankreich und anderen mußte Österreich aber ausschließlich auf der Basis heimischer Ressourcen planen, eine Steigerung von Rohstoffimporten über das Vorkriegsniveau hinaus kam schon wegen alliierter Vorbehalte nicht in Frage. Vorgesehen war die grundlegende Modernisierung der Werke, die Einführung neuer Verfahren sowie die Anpassung an veränderte internationale Marktbedingungen. Neben den technologischen, sozialen und volkswirtschaftlichen Rahmenbedingungen gab der Stahlplan aber auch betriebswirtschaftlichen Belangen der einzelnen Stand9 Eisen- und Stahlplanung. T.l. Hrsg, vom Bundesministerium fur Vermögenssicherung und Wirtschaftsplanung. Wien 1948. Der seinerzeit vorgesehene zweite Teil ist nicht zustande gekommen. 10 Zu den Sparta-Plänen Foschepoth, Josef- Ste ininger, Rolf (Hrsg.): Die britische Deutschland- und Besatzungspolitik 1945-1949. Paderborn 1985. 11 Die westeuropäischen Planungen bei Neuordnung der Eisen- und Stahlindustrie im Gebiet der Bundesrepublik, S. 301-303. 195