Sonderband 3. „wir aber aus unsern vorhero sehr erschöpfften camergeföllen nicht hernemben khönnen…” – Beiträge zur österreichischen Wirtschafts- und Finanzgeschichte vom 17. bis zum 20. Jahrhundert (1997)
Helmut Fiereder: Österreichische Wirtschaftsplanung nach 1945
ÖSTERREICHISCHE WIRTSCHAFTSPLANUNG NACH 1945' von Helmut Fiereder Im vorliegenden Beitrag sollen einige Gedanken zu Voraussetzungen und Verlauf der österreichischen Wirtschaftsplanungen unmittelbar nach 1945 vorgetragen werden, deren Übernahme in das ERP (European Recovery Programme) sowie die Auswirkungen der auf der Basis dieser Planungen erfolgten Investitionen auf Politik und Wirtschaft Österreichs bis zu Beginn der 1970er Jahre. Besondere Bedeutung kam bei diesen frühen österreichischen Wirtschaftsplänen der Grundstoffindustrie, in Sonderheit der Montanindustrie zu. Wie in anderen Basissektoren der heimischen Volkswirtschaft setzten auch im Bereiche der Schwerindustrie sofort nach Kriegsende Planungsarbeiten ein, die vorerst nur die Verwaltung des herrschenden Mangels anstrebten, bereits 1947 aber langfristige Entwicklungen unter den Bedingungen internationaler Konkurrenz antizipierten. Träger dieser Arbeiten waren sowohl die Unternehmungen der eisenschaffenden Industrie selbst als auch die Organe von Politik und Verwaltung. Als Ergebnisse wurden seit Jahresmitte 1946 Wirtschaftspläne vorgelegt, darunter der Kohleplan (1946), vor allem aber der Eisen- und Stahlplan (1948). Dieser beschrieb die im Konsens von Politik, Verwaltung und Industrie in Aussicht genommene Strukturbereinigung, Redimensionierung und Modernisierung der heimischen Eisenhüttenindustrie. In der Folge diente er als Grundlage für das ERP-Ausbauprogramm der österreichischen Eisenhüttenindustrie. Nach Abschluß des Marshall-Plans (insbesondere nach Einführung der LD- Metallurgie im Jahre 1953) wurde die Großeisenindustrie zu einem entscheidenden Antriebselement der Wirtschaftsentwicklung der Zweiten Republik. Wenigstens während der folgenden zwei Dekaden nahm sie (die eisenschaffende Industrie) in der österreichischen Volkswirtschaft einen viel höheren Stellenwert ein, als dies in den meisten vergleichbaren Industrienationen der Fall war. Dabei kam der Hütte Linz besonderer Stellenwert zu. Der Aufstieg des oberösterreichischen Zentralraums zu einem wichtigen Wirtschaftszentrum wäre ohne dieses Werk undenkbar'. In der internationalen Forschung wird gerne darauf verwiesen, daß das Wirtschaftswachstum in Westeuropa vor 1950 auch ohne das ERP kaum geringer ausgefallen wäre, als dies tatsächlich der Fall war. Der Marshallplan, so wird argumentiert, gab den Europäern die Chance, ihre ambitionierten industriellen Planungsziele Das Manuskript wurde im Juni 1995 abgeschlossen. 1 Zum Eisen- und Stahlplan von 1948 sowie zum Ausbau der Hütte Linz vgl. Fiereder, Helmut: Der Weg zu LD und Breitband. Die Hütte Linz im Kontext der österreichischen Eisen- und Stahlplanung nach dem Zweiten Weltkrieg. In: Historisches Jahrbuch der Stadt Linz 1991 (1992), S. 261-313. Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs, Sonderband 3/1997 191