Sonderband 3. „wir aber aus unsern vorhero sehr erschöpfften camergeföllen nicht hernemben khönnen…” – Beiträge zur österreichischen Wirtschafts- und Finanzgeschichte vom 17. bis zum 20. Jahrhundert (1997)
Thomas Winkelbauer: Finanznot und Friedenssehnsucht. Der Kaiserhof im Jahre 1645
Finanznot und Friedenssehnsucht Der Kaiserhof im Jahre 1645 1642 von Dionysio Miseroni geschaffen worden war73, sowie ein Kleinod in Form eines Halbmonds mit 52 großen und kleinen Smaragden - weigerte er sich zu schätzen, da sie nur von Leuten, „die mit dergleichen großen stuckhen handlen“, geschätzt werden könnten. Am 24. Mai 1645 faßte der Kaiser in Gegenwart der Geheimen Räte Maximilian von Trauttmansdorff74, Georg von Martinitz und Ulrich Franz von Kolovrat den Beschluß, die zwei wertvollsten der geschätzten Stücke, nämlich ein Kleinod mit je einem großen Diamanten und Rubin und einer großen runden anhangenden Perle (geschätzt auf 120 000 fl.) und einen Federbusch mit 46 großen und kleinen Diamanten (geschätzt auf 105 000 Gulden), durch den Hofkammerrat Gabriel Peverelli in (Ober-) Italien verpfänden zu lassen75. Der Kaiser befahl Peverelli im August, die Kleinodien nicht in Genua - dem damals bedeutendsten Geldmarkt Italiens - zu verpfänden, sondern danach zu trachten, daß „dis werckh“ im Stato di Milano eingerichtet werde „und also die clainodien in landen, [die] unserem hochlöblichisten haus Österreich zugehörig, verbleiben thu- en“76. Einen Monat später berichtete Peverelli, die Stadt Mailand sei wegen des Einbruchs der Franzosen nicht bereit, auf die Kleinodien Geld zu leihen. In Genua verhalte es sich nicht anders, „mit vorwandt, die stuckh weren gar zue groß undt ihnen angenehmer, wan sie sich in mehrerer anzahl undt dargegen khleiner“ befinden würden77. Im November hatte Peverelli nichts Neues zu berichten. Die Genueser, mit denen er verhandelte, trugen noch immer Bedenken, „auf dergleichen große stuckh eine anticipation darzugeben“78. Daraufhin erteilte ihm der Kaiser den Befehl, aus Italien nach Graz zurückzukehren und dort die Kleinodien dem kaiserlichen Schatzmeister Matthias von Pallingen (oder Pallinger)79 zu übergeben80. Dem Hof73 Distelberger, Rudolf: Dionysio und Ferdinand Eusebio Miseroni. In: Jahrbuch der kunsthistorischen Sammlungen in Wien 75 (1979), S. 109-194, hier 126-131. 74 Trauttmansdorff, seit 1633 Obersthofmeister des Königs bzw. (seit 1637) Kaisers Ferdinand III. und seit 1637 Direktor des Geheimen Rates, war nach dem Tod Eggenbergs (1634) zum einflußreichsten Mann am Kaiserhof avanciert. Vgl. Schwarz: Privy Council, bes. S. 114-142, sowie Ruppert : Politik, zuletzt auch Hiller, Istvân: Palatin Nikolaus Esterhazy. Die ungarische Rolle in der Habsburgerdiplomatie 1625 bis 1645. Wien-Köln-Weimar 1992 (Esterhàzy-Studien 1). 75 HKA Wien, Hoffinanz, rote Nr. 298, Konv. Mai 1645, „Specification“ der am 17. Mai 1645 durch den Juwelier Thomas Flicker geschätzten Kleinodien und Protokollnotiz des Geheimen Rats, Wien, 24. Mai 1645. 76 Ebenda, rote Nr. 299, Konv. August 1645, Kaiserliches Reskript an den Hofkammerrat Gabriel Peverelli, St. Pölten, 23. August 1645 (Konzept oder Abschrift). 77 Ebenda, Konv. September 1645, Peverelli an Ferdinand III., Mailand, 27. September 1645 (Ausfertigung). 78 Ebenda, rote Nr. 300, Konv. Dezember 1645, Peverelli an Ferdinand III., Genua, 19. November 1645 (Ausfertigung). 79 Fellner, Thomas - Kretschmayr, Heinrich: Die österreichische Zentralverwaltung, I. Abt. Bd. 2. Wien 1907 (Veröffentlichungen der Kommission für neuere Geschichte Österreichs 6), S. 231; Lhotsky, Alphons: Die Geschichte der Sammlungen, 1. Hälfte. Wien 1941-1945 (Festschrift des Kunsthistorischen Museums 2/1), S. 352. 80 HKA Wien, Hoffinanz, rote Nr. 299, Konv. Dezember 1645, Kaiserliche Befehlsschreiben an Peverelli, Linz, 16. und 28. Dezember 1645 (Konzepte). 12