Sonderband 3. „wir aber aus unsern vorhero sehr erschöpfften camergeföllen nicht hernemben khönnen…” – Beiträge zur österreichischen Wirtschafts- und Finanzgeschichte vom 17. bis zum 20. Jahrhundert (1997)

Thomas Winkelbauer: Finanznot und Friedenssehnsucht. Der Kaiserhof im Jahre 1645

Thomas Winkelbauer kammerrat Johann Anton Losy d. Ä.81 war es immerhin gelungen, durch Verpfän­dung von kaiserlichem (Tafel-) Silber und Kleinodien 80 741 fl. zu beschaffen82. Am 1. Oktober 1645 verpfändete Ferdinand III. dem Kurfürsten Maximilian von Bayern die Maut Tarvis in Kärnten auf unbestimmte Zeit, bis dem Kurfürsten 356.400 Gulden in voller Höhe zurückgezahlt sein würden. Diese Schuldsumme setzte sich aus folgenden Posten zusammen: 100 000 fl. bares Darlehen, zu dem sich Maximilian schließlich doch herbeigelassen hatte, 150 000 fl. für Proviant und Fuhrwerk, 80 000 fl. „wegen des in Behaimb unlengsthin wider die Schweden ge- schickhten succurs“ sowie 26 400 fl. vom Bistum Passau übernommener Kontribu­tionsausstand83. Das genannte bayerische Darlehen von 100 000 Gulden dürfte Ende September im kaiserlichen Hauptquartier eingetroffen und ausschließlich für die Neuausrüstung der kaiserlichen Regimenter verwendet worden sein84. Neben der Werbung von Söldnern war nach der Schlacht bei Jankau zur Ersetzung der großen Verluste in den Regimentern der kaiserlichen Armee im März 1645 auf den Landtagen der einzelnen Länder von den landesfürstlichen Kommissären auch das zur unmittelbaren Landesverteidigung herkömmliche Landesaufgebot gefordert worden. Die Stellung sollte Ende April erfolgen85. Für Österreich unter der Enns hatte der Kaiser sogar das Aufgebot des fünften Mannes angeordnet, ja am 21. März hatte er sogar verlangt, daß in den Vierteln ober und unter dem Manhartsberg von jedem Haus ein tauglicher Mann mit (Seiten-)Gewehr bereitgestellt werde, um ihn in ein Regiment einzureihen oder zur Bewachung der Donau zu verwenden - eine un­realistische Forderung86. Dem Kaiser blieb schließlich nichts anderes übrig, als sich mit dem Aufgebot des zwanzigsten Mannes zufriedenzugeben87. Zumindest in Böhmen bewährte sich das Landesaufgebot, wie schon im Jahre 1642 (aber auch während des Ständeaufstands 1619/20), in der Praxis nicht. Die aus den Reihen der Stadt- und Landbevölkerung ausgehobenen und den einzelnen Regimen­tern zugeteilten Männer liefen - wohl nicht zuletzt infolge der unzulänglichen Ver­pflegung und wegen der hohen Soldrückstände - im November (also nach Ablauf von sechs Monaten seit der Stellung des Aufgebots) auseinander, ohne daß die zu­ständigen Kreishauptleute dies verhindern konnten88. Angesichts der Kriegslage, die keinerlei Möglichkeit einer erfolgversprechenden Offensive zu bieten schien, und wohl nicht zuletzt unter dem Eindruck der Drohun­81 Fellner - Kretschmayr: Die österreichische Zentralverwaltung 1/2, S. 213. 82 HKA Wien, Hoffinanz, rote Nr. 300, Konv. November 1645, sub 14. November 1645. 83 Ebenda, Konv. Oktober 1645, Kaiserliche Pfandverschreibung, Linz, 1. Oktober 1645 (Abschrift). 84 Documenta Bohemica. Bd. 7, S. 222 Nr. 672. 85 Zum böhmischen Landesaufgebot 1645, zur Auseinandersetzung zwischen dem Kaiser und den Ständen bzw. den Statthaltern über seinen Umfang und die Dauer seiner Stellung (sechs oder nur drei Monate) so­wie zur Ablösung der Rekrutenstellung in Geld siehe Liva (Bearb.): Prameny, Teil 7, S. 9-12, 303-305, 309 f., 319 f„ 323-326, 332-334, 337-339, 360-364, 376, 387-389, 425 430 und passim; Docu­menta Bohemica. Bd. 7, S. 194 Nr. 566 und S. 196 Nr. 572. 86 Vgl. Ortner: Landtage, S. 96 f. und 208-217; Broucek: Schwedenfeldzug, S. 12. 87 Broucek: Leopold Wilhelm, S. 22; Stundner: Verteidigung, S. 62-67. 88 Liva (Bearb.): Prameny, Teil 7, S. 12, 425, 430 und öfter. 13

Next

/
Thumbnails
Contents