Sonderband 3. „wir aber aus unsern vorhero sehr erschöpfften camergeföllen nicht hernemben khönnen…” – Beiträge zur österreichischen Wirtschafts- und Finanzgeschichte vom 17. bis zum 20. Jahrhundert (1997)
Ronald E. Coons - Carey Goodman: An Audacious Proposal. A Memorandum Attributed to Finance Minister Karl Ludwig Freiherr von Bruck
An Audacious Proposal: A Memorandum Attributed to Karl Ludwig von Bruck VORSCHLAG EINES VERSTORBENEN ÖSTERREICHISCHEN STAATSMANNES48 Die finanzielle Lage der Monarchie in Mitte der zerrütteten Verhältniße der Valuta und der stets wachsenden Defizite des Budgets des Staatshaushaltes, ist eine Extreme. - In dieser Lage verbleiben, ist unmöglich: dieß wäre der Untergang selbst. - Wenn aber die Frage der Zerrüttung der Valuta-Verhältniße, unbezweifelt von entscheidender Wichtigkeit ist, ist zugleich nicht minder offenbar, daß eine Feststellung dieser Verhältniße nie als gesichert angesehen werden könne, so lange wir ein Budget haben, welches so bedeutende jährliche Defizite darstellt. Man wird daher genöthigt seyn die Frage des Budgets des Staatshaushaltes in erster Linie und gleichzeitig mit der Frage der Zerrüttung der Valuta-Verhältniße, in Angriff zu nehmen, und die Mittel zur Beseitigung der jährlichen Defizite aufzusuchen49. Auf diese letztere Aufgabe sollen die folgenden Bemerkungen sich beziehen. Eine Erhöhung des Steuersatzes der Monarchie, erscheint in der gegenwärtigen Lage der Dinge, nicht wohl als thunlich, weil einerseits die Steuern bereits sehr hoch gestellt sind und der Geschäftsbetrieb in allen Theilen der Monarchie mehr oder minder in einem Zustande von Stockung ist, und weil anderseits in Folge der zur Aufbringung der Unterzeichnungen für das Nazional-Anlehen, in Anwendung gebrachten Vorgänge, wie auch durch die Veräußerung der Staats-Eisenbahnen, das Vertrauen in die Regierung sich vernichtet findet50. Bevor man daher zu einer Erhöhung der Steuern zu schreiten vermöchte, müßte bereits den Hemmnißen des Geschäftsbetriebes abgeholfen, und eine Wiederbelebung des Vertrauens in die Regierung, erzielt worden seyn: Vorbedingungen welche aber, um ihre Wirkung äußern zu können, jedenfalls einer Zeit bedürfen würden die uns nicht zu Gebote steht, da die nunmehrige Lage der Monarchie für eine langsame Heilmethode nicht mehr geeignet ist. Die Aufgabe auf welche man sich beschränkt findet, kann daher nur in der Erzielung eines Standes der Dinge in der Monarchie bestehen, deßen Ausgaben den Ertrag der gegenwärtig eingehenden Steuern, nicht übersteigen. Diese Aufgabe in geeigneter Weise mit Kraft und Redlichkeit in Angriff nehmen, würde auch das beste und einzige Mittel zur Wiederbelebung des öffentlichen Vertrauens seyn. An der Möglichkeit der Lösung dieser Aufgabe, ist nicht zu zweifeln erlaubt, denn man würde hiermit auch den Glauben an die Rettung der Monarchie, aufzugeben genöthigt 48 As explained above, the Austrian National Library possesses two copies of the memorandum - see ÖNB Wien, HSS, Codex Series nova 32.682 and 32.683 - neither of which appears to be the manuscript the younger Bruck had before him when he wrote the Foreign Ministry in January 1866. Because both versions are written on paper that lacks watermarks, it is impossible to ascertain when they were prepared; the editors are indebted to Univ.-Doz. Dr. Ernst Gamillscheg, director of the manuscript division of the Austrian National Library, for providing information on this matter. Although one of the two versions may be a copy of the other, it is also possible that each of the two was made independently from an original that is no longer extant or which remains in private possession. In preparing an edition for publication the editors have followed the first version - ÖNB Wien, HHS, Codex Series nova 32.682 - as far as the text is concerned, except in those cases in which the second has corrected obvious errors or inconsistencies. For the benefit of the reader they have, however, adhered to the second version’s practice of dividing several unusually long paragraphs into shorter sections. The text’s peculiar punctuation, which is virtually identical in both versions, has been allowed to stand. 49 The monarchy’s finances were the topic of extensive discussions within the Minister Conference on 7, 11, and 14 July 1855; see ÖMR Abt. 3, Bd. 4, pp. 104—117. For an account of the financial situation at the time of Brack’s appointment in March 1855 that gives special attention to military expenses and currency problems see B r a n d t : Der österreichische Neoabsolutismus, pp. 709-726. On the Nationalanleihe, subscription for which began in July and August of 1854, and on its consequences see B r a n d t : Der österreichische Neoabsolutismus, pp. 691 -704. 165