Sonderband 3. „wir aber aus unsern vorhero sehr erschöpfften camergeföllen nicht hernemben khönnen…” – Beiträge zur österreichischen Wirtschafts- und Finanzgeschichte vom 17. bis zum 20. Jahrhundert (1997)

Fritz Prasch: Spuren der österreichischen Industrialisierung in Archiven und Bibliotheken

Fritz Prasch Straßenbaubeamte Vitus Ugazy eine Pflugsämaschine, der Förster Josef Ressel die Schiffsschraube und der gelernte Offizier Hermengild Francesconi kam über den Straßen- und Wasserbau zur Staatsbahn als ihr erster Generaldirektor. Diese Flexi­bilität, die heute wieder verlangt wird, beruhte zum einen auf einer „Bastelsucht“, die auch unternehmungslustige Technikfremde erfaßt hatte, die auf dem neuen „Zug der Zeit“ mitfahren wollten, zum anderen qualifizierte eine solide Grundausbildung die noch nicht zur (Über) Spezialisierung Gezwungenen zu vielfältigen Erfolgen. Eine bis ins 18. Jahrhundert zurückreichende allerhöchste Aktivität bescherte Österreich eine Reihe wichtiger Mechaniker: das, sehr oft illegale, Anwerben aus­ländischer Fachkräfte. Für die Frühformen einer mechanischen Industrie waren vor allem englische Einwanderer bedeutend. Die Immigranten aus anderen Ländern beeinflußten die Textil- und Galanteriewarenerzeugung, von den Engländern kamen auch Impulse in Richtung Maschinenindustrie24. Die Anwerbung in England war dort mit strengen Strafen bedroht, trotzdem be­schäftigten sich Angestellte der österreichischen Botschaft damit und warben neben anderen 1765 den Metallknopffabrikanten Matthew Rosthorn an. Für die in Wien- Landstraße etablierte Knopfproduktion errichtete er in Fahrafeld in Niederösterreich ein Walzwerk, führte neue Stanzwerkzeuge ein und schuf unterstützt und gefolgt von seinen Söhnen ein bedeutendes Industrieimperium, das in der industriellen Entwick­lung wichtige Spuren hinterließ. Er starb 1805 in Wien25. Für das mühelose Festziehen der Walzen des Blechwalzwerks ließen sich die Ge­brüder Rosthom 1823 für einen dazu geeigneten Schlüssel eines der über 6 000 Privilegien erteilen, die in Wien registriert wurden26. Verglichen mit den „Volitos“, die noch einer etwas phantastischen Motivation ent­sprungen sein könnten, war der Schlüssel ein völlig zweckorientiertes Werkzeug. Diese Zweckorientiertheit ist in der Wiener Sammlung von allem Anfang an festzu­stellen, allerdings kann mit hoher Wahrscheinlichkeit gesagt werden, daß sowohl einige Ideen kein praktisches Funktionieren, andere trotz einwandfreiem Funktionie­ren keine kommerzielle Nutzung erbrachten. Diesbezüglich bieten die „Patente, deren Privilegiumsdauer erloschen ist“27, einen beredten, spurenreichen Anhalts­punkt. Noch aufschlußreicher, weil erschöpfender, ist ein Verzeichnis nach Alois Grün- ner28, in dem das erste in Wien erteilte Privileg, eine gerbereitechnische Verbesse­rung, verliehen 1800, die Serie der über 6 000 Privilegien eröffnet. Für die Beurtei­lung des Zwecks der jeweiligen Neuerung sind die den Ansuchen beigegebenen Leth, Maria: Westeuropäische Manufakturisten und Fabrikanten in Wien in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Diss. Wien 1933. 25 Wurzbach, Constantin von: Biographisches Lexikon des Kaiserthums Österreich. Bd. 27. Wien 1874, S. 85. 26 Anhang, Abb. 3 nach: TUWA, Priv. Nr. 1168. 27 Beschreibung der Erfindungen und Verbesserungen, für welche in den kaiserlich-königlichen Staaten Patente ertlieilt wurden und deren Privilegiumsdauer nun erloschen ist. Wien 1841. 28 Grünner, Alois: Die Privilegien der Technischen Hochschule in Wien. In: Abhandlungen des Doku­mentationszentrums für Technik und Wirtschaft. Heft 20. Wien 1953. 140

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