Schiriefer, Andreas: Deutsche, Slowaken und Magyaren im Spiegel deutschsprachiger historischer Zeitungen und Zeitschriften in der Slowakei - Interethnica 9. (Komárno, 2007)

1 Einleitung

nationalen Eigenheiten verschiedener Volksstämme zum Ziel hat, sowie deren Niederschlag in den damaligen - deutschsprachigen - Zeitungsorganen. Freilich erfolgten derartige Reformen auch schon in der Regierungszeit der Mutter Josephs I!., Maria Theresias, etwa im Rechts- oder Bildungswesen. Wie bereits erwähnt ließen jedoch Struktur und Inhalt der damaligen Zeitungen einen für diese Arbeit verwertbaren Niederschlag der Reformen noch nicht zu. So ergibt sich als sinnvoller Beginn dieser Untersuchung das Jahr 1780, dem Todesjahr Maria Theresias und damit dasjenige, in dem Joseph II. die Alleinherrschaft über die Monarchie übernahm und begann, seine Reformpläne umzusetzen. Der Einschnitt der Jahre 1867/68 als Endpunkt der Untersuchung erklärt sich folgendermaßen. Mit dem Österreichisch-Ungarischen Ausgleich erreichte eine Entwicklung ihren vorläufigen Höhepunkt, die vor allem durch das Unabhängigkeitsstreben der magyarischen Bevölkerung in Ungarn geprägt gewe­sen ist. Zeitweilig erfuhren die Magyaren dabei Unterstützung oder auch Ablehnung durch die übrigen Volksgruppen - dies wird in der folgenden Unter­suchung vertieft werden. Mit dem Ausgleich war nun ein gewisser Grad an Unabhängigkeit erreicht und damit ein Zustand, mit dem sich die nichtma­gyarischen Volksgruppen arrangieren mussten, ohne dass sie angesichts der magyarischen Machtfülle bedeutend hätten eingreifen können. Die Magyaren hingegen nutzten diese Macht, um in den folgenden Jahrzehnten eine drück­ende Assimilierungspolitik zu betreiben, in denen die Ansätze zur Nationali­sierung bei den übrigen Gruppen zunächst weitgehend zum Stillstand kamen. Die Jahre 1867/68 bilden damit einen Markstein in der Entwicklung Ungarns, der den Einschnitt in der Betrachtung rechtfertigt. Was rechtfertigt nun die Verwendung deutschsprachiger Zeitungen als alleiniger Quellengrundlage? „Der Journalismus stellt sich als Selbstgespräch dar, das die Zeit über sich selber führt. Es ist die tägliche Selbstkritik, welcher die Zeit ihren Inhalt unterwirft, das Tagebuch gleichsam, in welches sie ihre laufende Geschichte in unmittelbaren, augenblicklichen Notizen einträgt.“2 So schrieb Robert Prutz über das Wesen des Journalismus. Sicherlich muss man dazu kritisch anmerken, dass Zeitungen nie objektiv waren und sind, beziehungsweise diese Objektivität auch nicht erwünscht oder angestrebt war - und ist. Und dennoch kann das Zitat ernst genommen werden, um den Rückgriff auf Zeitungen als reichhaltige Quelle zu erklären. Die Zeitung als Quellen­grundlage bietet die Möglichkeit, sich ein ganz unmittelbares Bild sowohl von den Begebenheiten der Zeit als auch von den zeitgenössischen Bewertungen zu machen. So bietet eine derartige Betrachtung nicht nur die Möglichkeit, sich eine Vorstellung vom Ablauf der Geschichte zu bilden, sondern auch zeitgenös­sische Vorstellungen und Pläne - etwa Modelle des Zusammenlebens - ken­nenzulernen. Somit wird Geschichte nicht als zwangsläufig ablaufend betrachtet, 2 Robert Prutz: Geschichte des deutschen Journalismus, Hannover 1845, Vorwort. Zitiert nach Heinrich Rez: Deutsche Zeitungen und Zeitschriften in Ungarn vom Beginn bis 1918, München 1935, S. 3. 11

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