Liszka József (szerk.): Az Etnológiai Központ Évkönyve 2011 - Acta Ethnologica Danubiana 13. (Dunaszerdahely-Komárno, 2011)

Könyvismertetések

passé”) — eine Charakteristik der Fotografie bestehe also darin, dass Realität und Vergan­genheit zugleich anwesend seien. Obschon in dem ebenfalls angezeigten Buch von Jean Cuisenier ein expliziter Hinweis auf Barthes fehlt, haben fotografische Bilder auch hier genau diesen zur Beleg-Funktion einer Wirklichkeit und Vergangenheit gemachten Charakter. Der in die deutschsprachige Überset­zung einführende Begleitbeitrag von Bärbel KerkhofF-Hader (Der Forscher und sein Feld. Jean Cuisenier und das Leben in den Karpaten, S. 381-397) würdigt deshalb die Arbeit als umfassende Leistung der Foto-Anthropologie, in der Aufnahme Situationen selektierend, als Foto verselbständigt zur archivierten Zeit (S. 387-388). Zwischen 1971 und 1991 konnte Jean Cuisenier, Ethnologe, Kulturanthropologe und ehe­maliger Leiter des Musée des Arts et Traditions Populaires in Paris, mehrere Forschungs­besuche und Dokumentationen in Rumänien vornehmen. Konkret präsentiert er Erhebungen aus den Regionen Maramuresch (insbes. S. 35-141), Bukowina mit der nördlichen Moldau- Gegend (S. 227-303), Oltenien (S. 142-226), sowie kurze Skizzierungen aus der Stadt Bukarest (insbes. S. 18-24). Eine inhaltliche Stärke des Buches liegt zweifellos darin, dass der Verfasser die Situation im Land während der Ceaucescu-Zeit und unmittelbar danach betrach­ten konnte. Das Anliegen von Cuiseniers umfangreicher Studie besteht, Inhalte und Formen des »Gedächtnis1 (im französischen Original heißt es im Titel,Mémoire’, zugleich Gedächtnis und jeweilige Aktualisierungen des Gedächtnisarsenals, also Erinnerung), an ausgewählten Feldern und auch unter den verschiedenen Anforderungen und Zumutungen wechselnder poli­tischer Systeme in der rumänischen Karpatenregion darzustellen. Die Darstellung erfolgt von Anfang in einem dezidierten Erzählton. Die narrative Grundstruktur auch in der Präsentation von Ergebnissen macht sich insbesondere auch daran fest, dass Cuisenier Personen und Gestalten vorstellt und schildert, die ihm Geschichten erzählen, die ihm Verse und Lieder vor­tragen, und sichtbar vor ihm und seiner Fotokamera Traditionshandlungen praktizieren, Traditionshandlungen, die er als Erbschaft „tausendjähriger“, jedenfalls in langer Generation­enkette sedimentierter Inhalte den Lesem zugänglich machen möchte. Das ist vielleicht als Anspielung auf den geschichtswissenschaftlichen Begriff der longue durée der Historiker Braudel, Le Goff, Favre gedacht, sicher aber in einem anthropologischen Sinne, als je aktuali­sierte Auseinandersetzung von Menschen mit einer je und je so und so gegebenen Umwelt. Cuisenier zeigt Fotos als Belege, dass im Ceaucescu-Sozialismus, also einer atheistischen und neue, andere Riten oktroyierenden, nun aber vergangenen Staatsauffassung christlich und überhaupt religiös bestimmte Handlungen und Geschichten unter Laien existent geblieben sind. Die Bilder erwecken zuweilen den scheinbaren Eindruck von Schnappschüssen - was sie selbstredend nicht sind, sondern eben gewollt kompositorische Zeugnisse; Zeugnisse von rea­len Menschen, die mit irgendetwas umgehen, sei es Arbeitsgerät, sei es Hauseinrichtung, sei es Kleidung, seien es Ritualrequisiten u.a.m. (vgl. zur dokumentieren bäuerlichen Architektur auch S. 343—379 den Begleitbeitrag von Klaus Freckmann/ Burghart Schmidt, Auf den Spuren Cuiseniers — architektonische Eindrücke im Banat, in Transsilvanien und in den Maramuref). Als dem Rezensenten besonders auffallende Phänomene seien beispielsweise angeführt die einzigartigen Grabkreuze von Säpinja mit dem Schnitzer Stan Pâtraç (Bild S. 137) oder die „Leichenfeiern“ in Dobrija“ (bes. Abb. Chor der Morgenröte, S. 218). Und Cuiseniers Fotos enthalten Empathie - die Empathie des Autors. Vergegenständlichung, Verkörperung und Gestalt des „Gedächtnisses“ der Karpaten sind in der Studie demnach sowohl Verfahren und institutionalisierte, expressive Handlungsformen als auch (vor allem) ausgesuchte laikale Personen als Kulturwesen, „Hüter der Bräuche“, wie er sie einmal beschreibt (S. 178), und wie er sie eben auch fotografisch aufgenommen hat, portraitierend abbildet: ihr fotografisch repro­duziertes Bild vermittelt den Lesem die Gewähr ihrer Existenz und somit die Gewähr der 324

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