Liszka József (szerk.): Az Etnológiai Központ Évkönyve 2008-2009 - Acta Ethnologica Danubiana 10-11. (Dunaszerdahely-Komárno, 2009)
Tanulmányok - Spieker, Ira: "A kuli olcsónés jól dolgozik…" Idénymunkások 1900 körül Közép-Európában a gazdasági kalkulációk és a szociális rágalmak kereszttüzében (Összefoglalás)
Der deutsche Landwirtschaftsrat formulierte daher auf seiner 41. Plenarsitzung im Februar 1913 als eine der vordringlichsten Aufgaben der landwirtschaftlichen Vertretungen, die „wirtschaftliche und soziale Hebung der Landarbeiter“ zu betreiben, „um einen ausreichend seßhaften Landarbeiterstand, wo er verloren gegangen ist, wieder heranzuziehen“.5 6 Dahinter steckten nicht etwa altruistische Motive, sondern die Befürchtung, dass eine zunehmende Anzahl ausländischer Arbeitskräfte die so genannte Landflucht noch steigern und verstetigen würde. Diese „Verdrängungstheorie“'’ sah nicht nur die nationale Gesinnung der Bevölkerung gefährdet, sondern auch die gesamte Volkswirtschaft, genauer: das Ideal des autarken Staates - durchaus mit Blick auf mögliche Kriegssituationen. Der Einsatz von Wander- und Saisonarbeitern stellte jedoch bereits seit Mitte des 19. Jahrhunderts eine notwendige Maßnahme dar, um den Personalbedarf in Produktionsspitzen annähernd zu sichern. Dabei handelte es sich um ein Phänomen von gigantischem Ausmaß: Die massenhaften Wanderbewegungen erstreckten sich über ganz Mitteleuropa. Fast schon sprichwörtlich sind die so genannten „Hollandgänger“, die aus strukturschwachen Gebieten deutscher Staaten Arbeit und bessere Verdienstmöglichkeiten im niederländischen Land- und Gartenbau suchten. Bei den „Sachsengängern“ hingegen handelte es sich vor allem um Saisonarbeiter im Zuckerrübenanbau in der Provinz Sachsen - vorzugsweise aus Oberschlesien, was wiederum dringend benötigte landwirtschaftliche Arbeitskräfte aus jener Provinz abzog. Serbische Wanderarbeiter fanden vor allem in Ungarn Beschäftigung: Ganze Landstriche Serbiens lebten von der Saisonarbeit, und in bestimmten Regionen gab es kein Dorf ohne Familie, aus der kein Mitglied auf Wanderarbeit ging (Calic 1994, 180). Für Bulgarien ließ sich eine ähnliche Entwicklung konstatieren, wie das Kaiserliche Generalkonsulat in Sofia am 5. Februar 1908 vermeldete: Alljährlich im Frühjahr zog ein großer Strom von Wanderarbeitern (sämtlich Gärtner und Gemüsebauern) nach Rumänien, Südrussland, Ungarn und bis in die Nähe von Wien. Sie kehrten jedes Jahr an denselben Ort zurück und betrieben dort Gemüsebau. Das war auch der Grund, warum diese Arbeiter nicht für die Saisonarbeit (vor allem Ackerbestellung) im Deutschen Reich zur Verfügung standen - trotz entsprechender Anwerbungsversuche. Die Landwirtschaftskammer des Königreichs Sachsen beispielsweise bemühte sich, lohnende Vorzüge aufzulisten, die eine Beschäftigung dort bieten würde: Bulgarische Arbeiter könnten in der deutschen Landwirtschaft „viel sehen und lernen, was sie zu Hause anwenden und wodurch sie in ihrer Heimat zu Pionieren der Kultur werden“7 Trotz dieser Versicherungen standen allenfalls diejenigen bulgarischen Saisonarbeiter, die üblicherweise nach Amerika „pendelten“, jedoch aufgrund ungünstiger Arbeitsverhältnisse im Sommer 1907 vorzeitig wieder zurückgekehrt waren, für eine Anwerbung zur Verfügung — jedenfalls zu entsprechenden Konditionen. Geplante Anwerbungsversuche unter deutschsprachigen Ungarn für Preußen wurden nicht ausgeführt, obwohl die deutsche Botschaft in Wien auf die guten Erfahrungen mit 5 HStA DD 10736, Ministerium des Innern, Nr. 15848 (Arbeiterverhältnisse bei der Landwirtschaft, Bd. 4, 1911-1918), Bl. 34. 6 Diese Annahme geht auf Analysen von Max Weber zurück, die dieser auf der Grundlage einer Enquçte des Vereins für Socialpolitik ausgeführte; vgl. Herbert 2001, 26 ff. 7 HStA DD 10736, Ministerium des Innern, Nr. 15857, Bl. 58. 114