Liszka József (szerk.): Az Etnológiai Központ Évkönyve 2008-2009 - Acta Ethnologica Danubiana 10-11. (Dunaszerdahely-Komárno, 2009)

Tanulmányok - Spieker, Ira: "A kuli olcsónés jól dolgozik…" Idénymunkások 1900 körül Közép-Európában a gazdasági kalkulációk és a szociális rágalmak kereszttüzében (Összefoglalás)

Acta Ethnologica Danubianu 10-11 (2009), Komárom—Komárno „Der Kuli arbeitet billig und willig...“ Saisonarbeiter um 1900 in Mitteleuropa zwischen wirtschaftlichem Kalkül und sozialer Diffamierung Ira Spieker Am 27. November 1906 veröffentlichte die Neue Freie Presse einen Artikel des National­ökonomen Dr. Max Nitzsche. Diese Zeitung, eines der zentralen Publikationsorgane der Österreichisch-Ungarischen Monarchie, wurde vor allem vom liberalen Bildungsbürgertum gelesen. Der Titel des Beitrags lautete: Ein Antrag auf Einführung chinesischer Arbeiter nach Ungarn. Nitzsche berichtete über Erwägungen des landwirtschaftlichen Vereins des Komitats Békés, 15.000 bis 20.000 „Kulis“ aus China für Erntearbeiten „einzuführen“.1 Diese auf den ersten Blick ungewöhnlich erscheinende Maßnahme sollte vordergründig dem strukturellen Mangel an Saisonarbeitern in der Erntezeit abhelfen. Gleichzeitig wollte der Verein durch seinen Vorschlag dem Druck entgegensteuern, den die dringend benötigten Erntearbeiter ausüben konnten — und dadurch womöglich bessere Konditionen in Bezug auf Arbeitsbedingungen und Vergütungen aushandelten. Sofern sich die Saisonkräfte nicht bis zum 31. Januar des Jahres bereit erklärten, Ernteverträge abzusch­ließen, wollte der landwirtschaftliche Verein seinen Beschluss Umsetzern Nitzsche drück­te sein Erstaunen über diesen Plan aus, denn „Ungarn sperrt sich sonst sehr gern gegen alle Fremden ab“. Die Verwaltungseinheit Békés umfasste zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine Fläche von etwa 3.700 Quadratkilometern und zählte knapp 300.000 Einwohner. Davon galten - der umstrittenen Volkszählung von 1910 zufolge - 73 Prozent als Magyaren, 22 Prozent als Slowaken, jeweils zwei Prozent als Rumänen und Deutsche. Ein weiteres Prozent der Einwohner setzte sich aus verschiedenen Nationalitäten zusammen.1 2 Obwohl es sich bei der Doppelmonarchie also bereits um einen Vielvölkerstaat handelte, diagnostizierte der Nationalökonom Nitzsche eine ablehnende Haltung gegenüber „Fremden“ — oder eiwartete sie zumindest. Vermutlich traf er seine Einschätzung vor dem Hintergrund der inneren 1 Sächsisches Hauptstaatsarchiv Dresden (im Folgenden: JIStA DD) 10736, Ministerium des Innern, Nr. 15857 (Ausländische landwirtschaftliche Arbeiter, Bd. 3: 1904-1918), Bl. 49. Dieser Beitrag basiert auf Quellenmaterial, das im Rahmen des DFG-Projekts „Ländlicher Alltag auf dem Weg in die Moderne. Sächsische und oberlausitzische Agrargesellschaften zwischen Rétablissement und Erstem Weltkrieg“ erhoben und in diesem Kontext sowie in dem vom Sächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst geforderten Forschungsvorhaben „Machtkonstellationen und Wissenskonzepte. Ländliche Lebenswelten in Sachsen im 19. Jahrhundert zwischen Innovation und Tradition" ausgewertet wurde (vgl. www.isgv.de). 2 Zu den Ergebnissen der Volkszählung vom 31. Dezember 1910 vgl. Geographischer Atlas zur Vatcrlandskunde an der österreichischen Mittelschulen. Wien 1911.

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