Liszka József (szerk.): Az Etnológiai Központ Évkönyve 2000-2001 - Acta Ethnologica Danubiana 2-3. (Dunaszerdahely-Komárom, 2001)
1. Tanulmányok - Van der Kooi, Jurjen: Határtörténetek - határokon átnyúló történetek
a) jede Volkserzählung ihre eigene Geschichte hat, und b) eine Verbreitung, die sich nur selten mit dem ethnischen, geographischen oder sprachlichen Raum, in den sie gehört und fur den sie deshalb präsentiert wird, überschneidet, und c) zudem öfter, wenn schon nicht in den meisten Fällen, irgendwo außerhalb dieses Raumes ihren Ursprung hat. Es ist also größte Vorsicht geboten beim Zuweisen irgendeiner Erzählung zu irgendeinem Gebiet. Das zweite Paradox ist, daß diese Ergebnisse zwar von manchem Sammler und Herausgeber von Volkserzählungen zur Kenntnis genommen werden, und in den Anmerkungen zu ihren Texten, sicherlich in den wissenschaftlicheren Editionen, manchmal auch vermerkt werden, jedoch die Auswahl der zu präsentierenden Texte offensichtlich kaum zu beeinflussen scheinen. So kann ein und dasselbe Märchen zum Beispiel in den betreffenden Bänden der Reihe ‘Die Märchen der Weltliteratur’ als rumänisches, bulgarisches, tschechisches, ungarisches beziehungsweise griechisches und so weiter Märchen dargeboten werden.1 2 Es verwundert bei dieser Haltung denn auch nicht, daß Sammlungen mit dem Wort ‘Grenze’ im Titel ganz selten sind. In Uthers Katalog werden bei den Buchstaben A und B nur drei entsprechende erwähnt, P. Bahlmanns Ruhrtal-Sagen von der rheinisch-westfälischen Grenze (Münster 1913), Heinz Bügeners Münsterländische Grenzlandsagen (Vreden, circa 1926) und Wilhelm Bodens Vom Rhein zur Maas. Deutsches Grenzvolk im Westen erzählŕ (Bonn 1936). In diesen Büchern werden die Grenzen an sich jedoch nicht problematisiert, sondern es wird eher gezeigt, daß auch das Grenzvolk die heimischen Traditionen hütet. Grenzen und Grenzgeschichten sind für die Erzählforscher offensichtlich kaum ein Problem — Ausnahmen ausgenommen. Eine solche Ausnahme bildet der anregende Budapester Vortrag aus dem Jahre 1963 des Altmeisters Kurt Ranke über Grenzsituationen des volkstümlichen Erzählgutes (Ranke 1965; Ranke 1978). Er betont darin die ‘Gemeingültigkeit der Ethnozentriertheit großer Teile des volkstümlichen Erzählgutes’ (Ranke 1978, 97). Die verschiedenen Mentalitäten der Völker, so Ranke, machen Grenzen zu Umbmch- beziehungsweise Hemmstellen für Volkserzählungen. Wenn seine Beispiele dies auch klar zu machen scheinen, so bleibt die Frage, ob diese Beispiele Regel oder Ausnahmen sind. Gegenbeispiele sind genauso leicht aufzufinden. So zeigt sich zum Beispiel, daß die niederländisch-deutsche Grenze für Märchen, Schwänke und Sagen überhaupt keine Hemmstelle ist, sondern daß sich für Märchen und Schwänke eine deutliche Isethne etwas östlich dieser Grenze abzeichnet, sowie sich auch, zwar etwas weniger deutlich, westlich dieser Grenze, eine solche Isethne für Sagen zeigt (vgl. Van der Kooi 1997; Van der Kooi 1999). Daß große Teile des volktümlichen Erzählgutes entweder im Laufe der Zeit ethnozentriert sind, oder es immer schon waren, ist also sicherlich keine gegebene Größe. 1 Man vergleiche jetzt Röths Auflistung von den in den Nachkriegsbänden der ‘Märchen der Weltliteratur’ und anderen beliebten Märchenreihen veröffentlichten Märchen (Röth 1998). 2 ‘Deutsches Grenzvolk im Westen erzählt’ ist hier eher als Reihentitel zu betrachten (auch wenn meines Wissens nach keine weiteren Teile erschienen sind), als Teil des Titels. 196