Katholischen Gymnasium, Schemnitz, 1854

10 (Lottes, die mit väterlicher Sorge über das Menschengeschlecht wacht und seine Schicksale ordnet und lenkt; und diese Überzeugung ist um so großartiger, sicherer und fester, als sie auf dein faktischen Resultate der durchgelebten Zeit und dem Inhalte des gesammten Menschenlebens beruht. Die nähere Kunde der vaterländischen Geschichte insbesondere lehrt den Schüler den Staat, dem er als Glied angehört, genauer kennen von der Zeit an, wo der erste Grund gelegt worden ist zu dem, was er nun in voller Entwicklung vor sich sieht; sie zeigt ihm den Weg, auf welchem das gemeinsame Wohl dau­ernd begründet werden kann, erinnert ihn an jene Männer, die durch geistige und moralische Große in demselben emporragten, und deren wohlthätige Wirksamkeit Segen und Wohlfahrt über seine Fluren brachte; an diesem erhabenen Vorbilde wird er gestärkt und zu gleichen Streben angespornt. Somit weckt die weise ge­leitete spezielle Nationalgeschichte in der Brust des Schülers rechtzeitig die herzli­che Ergebenheit an den Monarchen und das Vaterland und begeistert ihn zur regen aufopfernden Thätigkeit für die gemeinsamen Interessen. 5. Wichtig für die Gymnasialbildung ist auch das Studium der Mathema­tik, als eines der trefflichsten Mittel zur Schärfung der Denkkraft und Ausbildung des Geistes. Denn in der Ausbildung des Geistes ist das Höchste, die Gewöh­nung an strenges folgerichtiges Denken, das nicht früher sich beruhigt, nicht frü­her einen Satz für wahr annimmt, bis es erschöpfende Beweise von der Wahrheit desselben überzeugen. Derartige Überzeugung liefert die Mathematik durch Ent­wicklung jener Beweisgründe, die aus der Natur der Größenverhältnisse und aus Begriffen durch Vernunftschlüße entnommen werden, wo, insofern sie gut aufgefaßt sind, kein Irrthum stattsinden kann, weil derselbe, da jedes Ergebniß wieder Ge­genstand unmittelbarer Wahrnehmung ist, nicht unentdeckt bleiben könnte. Indem daher der Schüler sich durch mathematische Beweisführung an folgerichtiges Den­ken gewöhnt, gewöhnt er sich zugleich an gründliches von Stufe zu Stufe mit strenger Consequenz fortschreitendes Denken und richtiges Urtheilen, gelangt so­mit an dem Muster der Mathematik zur Gründlichkeit, Genauigkeit, Präzision und Strenge auch in jedem andern wissenschaftlichen Nachforschen. Die Mathematik fordert ferner ungestörte und die gespannteste Aufmerksamkeit; denn sie ist eine höchst systematische Wissenschaft; der Zusammenhang der Ideen in derselben ist so verflochten, die Folge der Lehre so streng und stetig, daß nicht das Mindeste über­hört oder übersehen werden kann, sondern jeder Lehrsatz, um die gehörige Einsicht des Ganzen zu erlangen, genau aufgefaßt werden muß. Wo aber der Geist zu einer so strengen Aufmerksamkeit angehalten wird, dort wird er zugleich zum Den­ken genöthigt, das Denken aber ist die Quelle des Wissens. Die Mathematik fördert die Ausbildung des Geistes auch dadurch, daß sie den Schüler nöthigt durch eigene Vernunftschlüße für Lehrsätze und Aufgaben Beweise oder Auf­lösungen zu finden; damit aber der Schüler das Finden lerne, ist vor allem nothwendig, daß er in der Kunst zu suchen sich übe; und Hiezu gibt die Mathe-

Next

/
Thumbnails
Contents