Judit Tamás: Verwandte typen im schweizerischen und Ungarischen kachelfundmaterial in der zweiten hälfte des 15. jahrhunderts (Művészettörténet - műemlékvédelem 8. Országos Műemlékvédelmi Hivatal,1995)

Auswertung

pieren sie — manchmal aus einer beträchtlichen chronologischen Distanz - die Werke der königlichen Werkstätten (baumbewachende Löwen von Nyársapát und Kőszeg) oder schnitzen vermittels der letzteren neue Model (Rosettenka­cheln aus Tata und Muhi). Das Kopieren erstreckt sich im allgemeinen nicht auf den ganzen Motivschatz, sondern nur auf einige Typen, die unter den Erzeugnis­sen mehrerer Werkstätten sogar in unterschiedlicher Qualität 331 auftauchen können. In dieser Hinsicht ist die Grenze zum dritten Niveau der zeitgenössi­schen ungarischen Kachelproduktion eigentlich fließend. Unter den bescheiden ausgeführten, unglasierten Ofenkacheln, die ganz sicher von lokalen, landsässi­gen Hafnern hergestellt wurden, und die wir infolge der Thematik und des Stils ihrer Verzierung, nicht zuletzt aber infolge ihrer der Volkskunst nahestehenden Formenwelt volkstümliche Ofenkacheln 332 nennen, findet man nämlich auch Kompositionen, die sich als gesunkenes Kulturgut von der Bilderwelt der höfi­schen Kunst herleiten lassen (Friedrich III. von Kaposszentjakab, Pelikan und Turnierreiter aus Nagyvázsony). Diese „feudal" geprägte Hierarchie, durch ein einziges Zentrum charakterisierte Produktionsstruktur weist auf einen von dem oberrheinischen abweichenden sozialen Hintergrund hin. Während in der west­lichen Region im behandelten Zeitraum bereits jeder Adlige und jeder wohlha­bende Stadtbewohner einen Kachelofen sein eigen nennen konnte 333 , war die Ofenheizung in Ungarn nach wie vor hauptsächlich im Kreise der Oberschicht verbreitet. Seitdem die Forschung auf die Zusammenhänge zwischen dem zeitgenössi­schen Kachelmaterial dieser beiden Regionen aufmerksam wurde, brachte sie der Frage, woher die gemeinsamen Motive stammen, ein reges Interesse entge­gen. Diese Frage wurde meist sehr scharf formuliert: welches der beiden Gebiete war ihre Urheimat, welchem soll Priorität in der Entwicklung beigemessen werden. Da man diese Verbindungen zwischen Ungarn und dem süddeutschen Raum zuerst im Bereich der mit der Werkstatt des Ofens mit Rittergestalten ver­wandten Kacheln entdeckte, wurde auch die Frage hier zuerst angeregt. Vor allen Dingen das Problem des Ursprungs der baumbewachenden Löwen rückte in den Vordergrund der Diskussionen. Zuerst nahmen die ungarischen Forscher dazu Stellung, was großen Staub aufwirbelte. In diesem Aufsatz haben wir Holls Meinung schon einmal zitiert, wonach der baumbewachende Löwe von Buda, der auf felsigem Boden liegt, zu den ersten Variationen des Typs gehört haben müsse, bzw. daß die z.T. veränderten Variationen des Motivs durch Abdrücke ent­standen seien. 334 Damit setzt er, wenn auch versteckt, zugleich voraus, daß die Model der schweizerischen Löwenkacheln nach dem Vorbild eines ungarischen baumbewachenden Löwen angefertigt, ja sogar abgedruckt und weitermodelliert worden sein müssen. Außerdem wurden von Imre Holl und Pál Voit in ihrem deutschsprachigen Werk die einheimischen und ausländischen Kopien sowie al­lerleie Auswirkungen der Werkstatt des Ofens mit Rittergestalten behandelt und abschließend verallgemeinernd hinzugefügt: „Weitere Einflußsphären konnten in Schwaben und in der Schweiz nachgewiesen werden." 330 Die nächste fremd­sprachige Zusammenfassung über die Verbreitung des Musterschatzes, mit dem auch die Werkstatt des Ofens mit Rittergestalten arbeitete, ging auf die Zusam­menhänge ebenfalls nicht näher ein 336 ; diese Arbeiten waren für die nicht-unga­rische Forschung aus sprachlichen Gründen selbstverständlich leichter zugäng­lich. Obwohl sich Imre Holl später dahingehend äußerte, daß die Werkstatt des Ofens mit Rittergestalten - den übrigen schweizerischen Werkstätten ähnlich ­das Motiv des baumbewachenden Löwen wohl von Peter Hartliebs Basler Werk­statt übernommen habe 337 , ist diese versteckte Bemerkung der Aufmerksamkeit

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