Karl Alfred von Zittel: Handbuch der Palaeontologie. 1. Abtheilung, Paleozoologie. II. Band: Mollusca und Arthropoda (München und Leipzig, 1885)
V. Stamm. Mollusca, Weichthiere - B. Mollusca (s. str.) - 1. Classe. Lamellibranchiata. Blätterkiemener, Muscheln
Lebensweise. 13 bewohner ; eine geringe Zahl (höchstens x/5 aller lebenden Arten) hält sich in süssem Wasser auf. Die meisten Süsswasserformen gehören zu den Integripalliaten, unter denen die formenreiche Familie der Nayadidae (TJnio , Anodonta, Myeetopus etc.) lediglich Süsswasserbewohner enthält, während z. B. bei den Cyreniden , Mytiliden und Cardiiden limnische, brakische und marine Formen vorkommen. Eine beschränkte Anpassungsfähigkeit mariner Arten an brakisches und selbst süsses Wasser ist vielfach nachgewiesen worden (Cardiidae , Mytilidae, Corbulidae). Alle Süsswassermuscheln zeichnen sich durch dicke, dunkelgrüne, gelbliche oder braune Epidermis und meist auch durch angefressene Wirbel aus. Die marinen Muscheln leben in verschiedenen Tiefen , die dickschaligen, buntgefärbten und mit reichen Verzierungen versehenen in der Regel an der Küste auf steinigem oder sandigem Grund; in grösserer Tiefe verlieren sich die Farben und die Schalen werden zart und dünn. Weitaus die meisten Arten leben in Tiefen zwischen 0 — 35 Faden, mit 200 Faden nimmt ihre Zahl beträchtlich ab und nur ganz vereinzelte Formen sind aus 1500 — 2500 Faden Tiefe hervorgeholt worden. Die Tiefseebeobachtungen haben bei den Lamellibranchiaten keine allgemeinen, für ganze Familien oder Gattungen gültigen Gesetze geliefert, im Gegentheil gezeigt, dass häufig gewisse Arten ein und derselben Sippe in grosser Tiefe, andere nur in seichtem Wasser vorkommen. Im Allgemeinen erweist sich jedoch die geographische Verbreitung einer Species um so ausgedehnter, in je verschiedenartigeren bathymetrischen Zonen dieselbe auszuhalten vermag. Für die Beurtheilung der Entstehung geologischer Ablagerungen bieten die Lebensverhältnisse der Mollusken besonderes Interesse. Das reichliche Vorkommen von Mytiliden, Mactriden, Soleniden, Pholadiden u. a. in einer Ablagerung beweist deren Absatz in der Nähe einer seichten Küste, während sich z. B. die dünnschaligen Pholadomyiden und Anatiniden vorzugsweise in ehemaligem schlammigen Grunde tieferer Gewässer finden. Gewisse Gattungen sind mit einer Klappe auf steiniger Unterlage aufgewachsen (Ostreidae , Anomidae, Spondylidae , Chamidae, Rudistae ), während sich andere durch einen starken Byssus dauernd an fremde Körper anheften (Mytilidae , Aviculidae, Limidae). Eine freie, freilich langsame Ortsbewegung kommt vielen Muscheln zu ; einige (Pectinidae, Limidae , gewisse Mytilidae) schwimmen, die meisten kriechen mit Hülfe ihres Fusses (Areidae , Nuculidae , Lucinidae, Cyprinidae, Veneridae, Nayadidae etc.). Unter den Dimyariern graben sich die mit langen Siphonen und geschlossenem Mantel versehenen Formen mit Vorliebe in Sand und Schlamm ein und eine Anzahl von Bohrmuscheln höhlen sich in Stein oder Holz förmliche Wohnräume aus (Litliodomus , Saxicava , Venerupis, Pholas, Teredo etc.).