Leopold Auer - Manfred Wehdorn (Hrsg.): Das Haus-, Hof- und Staatsarchiv (2003)
Geschichte - Michael Hochedlinger: "Geistige Schatzkammer Österreichs". Zur Geschichte des Haus-, Hof- und Staatsarchivs 1749-2003
Geistige Schatzkammer Österreichs te Schatzgewölbearchiv wurde von Niederösterreichischer Regierung und Hofkammer gemeinsam beaufsichtigt und galt schon in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts als schwer benützbar, finster und durchaus unpraktisch aufgestellt. Die in der Schatzkammer verwahrten wichtigen Hausurkunden waren dagegen dem Obersthofmeister und dem Oberstkämmerer anvertraut. Auch in der Hofbibliothek lagerte einschlägiges Material, dessen Abgabe an das Schatzkammerarchiv Ende der 1 740er Jahre angeordnet wurde. Gründung, Ausstattung und Aufgaben des Geheimen Hausarchivs 1749 bis 1779 Der erste Geheime Hausarchivar, Theodor Anton Taulow von Rosenthal (1702-1779) Schließlich ist nicht das Schatzkammerarchiv zur Sammelstelle für Haus- und Staatsurkunden geworden, sondern Maria Theresia entschloß sich zu einer Neugründung. Eine förmliche „Gründungsurkunde" für das Geheime Hausarchiv liegt nicht vor; einer solchen wird meist die auf den 13. September 1749 datierte Approbation jener „Ohnmaßgebigsten Reflexiones und unterthänigsten Anfragen die Errichtung des kaiserlich-königlichen Geheimen Hausarchivs betreffend" gleichgehalten, die Theodor Anton Taulow von Rosenthal (1702-1779), ehemaliger Archivar der Böhmischen Hofkanzlei, Sekretär des neuen „Directorium in publicis et cameralibus" und nunmehr Aspirant auf die Stelle des Hausarchivars, im Sommer 1749 unterbreitet hatte. Das neue „Geheime Hausarchiv" sollte zunächst ein reines Auslesearchiv, eine künstliche Sammlung von Familien- und Staatsurkunden und damit von Rechtstiteln des Hauses Habsburg sein, gespeist aus dem nun der Auflösung verfallenden Schatzgewölbearchiv und dem Schatzkammerarchiv sowie aus der gezielten „Plünderung" anderer wichtiger Lagerstätten wie Prag, Innsbruck und Graz inklusive der Registraturen der Zentral- und Mittelbehörden in Wien und in den Ländern. Der Sammlungsauftrag umfaßte in der Hauptsache drei Gruppen von Dokumenten: 1. Haussachen (wie Erbteilungen und Vergleiche, Heiratskontrakte, Verzichte, Testamente); 2. Thronfolgebestimmungen, Bündnisse, Friedensschlüsse, Waffenstillstände; 3. Privilegien der Stände und Länder. Rosenthals Beutezüge zur Ergänzung der Wiener Bestände begannen mit einer Reise nach Prag (1749-1 750), wo der Geheime Hausarchivar das Böhmische Kronarchiv, das Archiv der böhmischen Landtafel, die Kammerregistratur und die 1612 zurückgebliebene Reichsarchivfiliale mit Erfolg durchstöberte. Von Herbst 1750 an weilte Rosenthal beinahe ein Jahr lang in Innsbruck und machte in der dortigen Hofschatzregistratur reiche Beute, lagerten doch hier seit der Zeit Maximilians I. das „Privilegium maius", die Reichsbelehnungen der Habsburger ab 1282, wichtige Hausverträge, ein Exemplar der Goldenen Bulle von 1356 und schließlich die ältere Serie der Reichsregister ab Ruprecht von der Pfalz bis Maximilian I. Weniger eindrucksvoll war das Grazer Material, das Rosenthal ab Februar 1752 im Hofschatzgewölbe in der Grazer Burg, in der Registratur der steirischen Repräsentation und Kammer, bei der Innerösterreichischen Regierung und im landschaftlichen Archiv sichtete, aber nur überraschend zurückhaltend plünderte, wahrscheinlich wegen des schlechten Ordnungszustands. Mailand, Brüssel und Preßburg blieben ganz außer Betracht. Bis Jahresende 1752 waren alle von Rosenthal für das Geheime Hausarchiv ausgewählten Zimelien in Wien konzentriert, insgesamt 13.125 Urkunden, 82 Faszikel Akten und 32 Handschriften.