Leopold Auer - Manfred Wehdorn (Hrsg.): Das Haus-, Hof- und Staatsarchiv (2003)
Geschichte - Michael Hochedlinger: "Geistige Schatzkammer Österreichs". Zur Geschichte des Haus-, Hof- und Staatsarchivs 1749-2003
20 Geistige Schatzkammer Österreichs Für dieses Kunterbunt fehlte es zu diesem Zeitpunkt freilich immer noch an einer adäquaten Unterbringung. Erst Ende 1753 konnte man einige Zimmer im Erdgeschoß des Reichskanzleitrakts in der Wiener Hofburg beziehen: hier sollte das Archiv beinahe 150 Jahre lang seinen Hauptstandort behalten. Die laufende Expansion der Bestände in den nächsten Jahrzehnten erzwang logischerweise eine schrittweise räumliche Ausdehnung, zunächst im Reichskanzleitrakt, dann aber auch durch Besiedlung von wechselnden, meist völlig ungenügenden Zweigstellen in der Wiener Innenstadt. Der ebenfalls 1 753 festgesetzte Personalstand des Hausarchivs war anfangs beträchtlich: drei Archivare (ein Erster und ein Zweiter Archivar sowie ein Archivsadjunkt) standen fünf Kanzlisten und einem Heizer gegenüber. Auch die Frage der dienstrechtlichen Unterstellung des Hausarchivs löste man 1 753, dem Jahr der tatsächlichen „Inbetriebnahme". Johann Christoph Freiherr von Bartenstein (1690-1767) wurde nach seiner Entmachtung als eigentlicher Leiter der habsburgischen Außenpolitik zum Vizekanzler im „Directorium in publicis et cameralibus", das schon seit 1749 die Geschicke des im Aufbau befindlichen Hausarchivs lenkte, ernannt und übernahm als nomineller Direktor auch die Oberleitung über das Archiv (bis 1 762). Neben der Sammlung und Verzeichnung des Materials sah Rosenthal auch die Anlage von Kopialbüchern mit authentischen Abschriften der Urkunden als wichtig an, um nicht bei Bedarf stets die Originale zur Hand nehmen zu müssen. Regesten, Übersetzungen der in weniger verständlichen Sprachen abgefaßten Stücke und eine Reihe von Registern und Indices sollten die Benützbarkeit der Urkundensammlung erhöhen. Gedacht war zudem an die Erarbeitung einer Geschichte Böhmens und Österreichs sowie eines „lus publicum austriacum". Die Entwicklung zum habsburgischen Zentralarchiv Rosenthal hat viel begonnen, aber nur wenig zu Ende geführt. Das gilt zum ersten für seine Repertorisierungsarbeiten und die komplizierte Materienordnung, die abgebrochen und nach seinem Tod 1779 durch eine 1 780-1 784 relativ rasch abgeschlossene chronologische Ordnung innerhalb der drei großen Urkundengruppen (1. Ungarisches Haus- und Kron- archiv, 2. Böhmisches Haus- und Kronarchiv, 3. Hausarchiv der Erzherzoge von Österreich) ersetzt wurde. Stückwerk blieb natürlich auch seine Sammeltätigkeit, die gewachsene Archivkörper zerrissen und in Graz und Innsbruck viel zurückgelassen hatte, was eigentlich nach Wien gehörte; es sollte bis in die 1840er Jahre dauern, ehe aus Graz und Innsbruck teilweise auf Umwegen derlei wichtige Restbestände für das Hausarchiv gewonnen werden konnten. Nach den großen Archivreisen Rosenthals zu Anfang Handschreiben Maria Theresias an Staatskanzler Kaunitz (Anfang 7 762), mit dem sie ihm die Oberaufsicht über das Geheime Hausarchiv überträgt.