Das Österreichische Staatsarchiv (1988)
Kurt Peball: Das Österreichische Staatsarchiv
DAS ÖSTERREICHISCHE STAATSARCHIV Geschichte — Leistung — Aufgabe D as Österreichische Staatsarchiv befindet sich an einem Wendepunkt seiner Geschichte. Während der Jahre 1981 -1986 wurde ihm ein neues Archivgebäude errichtet, in welchem erstmals in der Geschichte des Staatsarchivs alle seine Teilarchive vereinigt werden. Ansätze zu solchen Bauvorhaben hat es in der Geschichte des Staatsarchivs mehrfach gegeben, sie konnten aber weder in der Monarchie noch in der Ersten Republik Österreich verwirklicht werden. Das blieb der Zweiten Republik Vorbehalten. In den Jahren nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde mehrere Male darüber diskutiert, alle Abteilungen in einem Gebäude zu vereinen. 1952 gab es unter Bundeskanzler Ing. Leopold Figl sogar einen Ministerratsbeschluß, einen Neubau des Staatsarchivs ernstlich in Erwägung zu ziehen. Die Gründe dafür sind in Lagerungsbedingungen der Archivalien und Arbeitsbedingungen der Archivare zu suchen, die alles andere als zweckmäßig, ja vielfach arbeitshygienisch unverantwortbar zu bezeichnen waren. Es gab sogar eine Reihe von Umbauplänen, die aber zumeist aus finanziellen Gründen nicht verwirklicht werden konnten. Als dann 1956 die Archivsperre im Staatsarchiv soweit angehoben wurde, daß die Akten des Ersten Weltkrieges und in späteren Jahren allmählich jene bis 1938 und schließlich sogar alle bis 1945 frei wurden, gab es nicht nur immer mehr Benützer, sondern es wurde auch die Übernahme von Archivgut der Bundesbehörden immer dringender. Nach Fertigstellung des Neubaus scheint nun der Zustand eingetreten zu sein, der die genannten vordringlichsten Probleme des Staatsarchivs leichter lösbar macht. Im Laufe der nächsten Jahre sollen im Neubau alle Abteilungen oder Teilarchive einschließlich ihrer Außendepots vereinigt werden. Das bedeutet einen Gewinn und einen Verlust zugleich: — Der Neubau garantiert bessere Lagerungsbedingungen für die Archivalien und eine bessere Infrastruktur für die Erfüllung der wissenschaftlichen Aufgaben des Staatsarchivs und der Arbeitsbedingungen der Staatsarchivbediensteten als bisher;- er bedeutet aber auch einen tiefen Eingriff in Archivtraditionen, die ebenso verpflichtend sind wie die Notwendigkeit, das vom Staatsarchiv von den obersten Bundesbehörden nunmehr im großen Stil zu übernehmende und für eine Benutzung nach archivischen Prinzipien aufzubereitende Archivgut mit den Methoden eines Archivmanagements zu erfassen und zu bearbeiten, das jenem der Führung von Wirtschaftskörpern angeglichen ist. Beide Umstände erfordern große Behutsamkeit in der Koordination der Führungsangelegenheiten des Staatsarchivs. Es ist üblich, bei solchen Wendepunkten zurückzublicken auf das, was gewesen ist und sich vorzustellen, was weiterhin geschehen soll. Geschichte, Leistung und Aufgaben stellen dabei eine untrennbare Einheit der geistigen Ausrichtung der Staatsarchivleitung dar, retrospektiv hinsichtlich der Vergangenheit und innovativ auf die Zukunft hin ausgerichtet. Geschichte D as Österreichische Staatsarchiv ist in den Jahren 1945-1947 durch den Zusammenschluß der geschichtlich gewachsenen Teil9