1100 Jahre österreichische und europäische Geschichte in Urkunden und Dokumenten des Haus-, Hof- und Staatsarchivs (1949)

1100 Jahre österreichische und Europäische Geschichte - Transkriptionen und Erläuterungen

816 Februar 5, Aachen. Kaiser Ludwig der Fromme bestätigt der erzbischöflichen Kirche von Salzburg auf Bitte des Erzbischofs Am die bereits von Kaiser Karl erlassene Besitzbestätigung und die von demselben Kaiser verliehene Immunität mit Königsschutz. Orig. südl. Perg.: (06 bx 19 h). — Faksimile stark verkleinert. Kojpie: Wien, Österreich. Staatsarchiv, Abt. Haus-, Hof- und Staatsarchiv, Salzburger Kammerbücher 1 (aus der 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts) fol. 35 (C). Drucke: (Kleimayrn, Fr. Thad. v.) Nachrichten vom Zustande der Gegenden und Stadt Juvavia. Dipl. Anhang Salzburg 1805, S. 65 n. 19 aus C = Eduard Richter: Untersuchungen zur historischenGeographie des ehemaligen Hochstiftes Salzburg und seiner Nachbargebiete (Mitteilungen des Institutes für österreichische Geschichtsforschung, Erg. Rd. 1, 1885, S. 607f. teilweise). —Salzburger Urkundenbuch 2, 1916. S. 11 n. 5 aus A C (zu Februar 6). — Leo Santifaller, Die älteste Urkunde des österreichischen Staatsarchivs (Die Österreichische Nationalbibliothek. Festschrift für Josef Bick. Wien 1918, S. 371 f., mit stark verkleinertem Faksimile) aus A C. Regesten: Sickel, Acta Karolinorum 2, 1867, S. 106 L 77; Böhmer-Mühlbacher S. 258 n. 606. Die im Original zerstörten Stellen konnten mit Hilfe der in den Salzburger Kammerbüchern enthcdtenen Abschrift aus der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts ergänzt werden. Die Einrichtung der Immunität findet sich schon im alten Römerreich; sie bedeutete damals Befreiung von Steuern, öffentlichen Abgaben und Diensten. Seit dem 6. Jahrhundert treffen wir die Immunität auch im fränkischen Reich und zwar als Befreiung von öffentlichen Abgaben und Leistungen, aber auch bereits als gerichtliche Sonderstellung der auf dem Gebiete einer mit Immunität begabten Grundherrschaft ansässigen Leute. Seit Chlodwigs Übertritt zum römischen Christentum haben, ebenfalls nach römischem Vorbilde, zahlreiche Kirchen für den Bereich ihres Grundbesitzes die Immunität erworben. Die Ver­leihung der Immunität erfolgte durch königliches Diplom und unter Ludwig dem Frommen sind bereits die meisten Kirchen im Besitze dieses Rechtes. Die durch die Immunität verliehene gerichtliche Sonderstellung bestand darin, daß die Ausübung der Gerichtsbarkeit auf dem Gebiete der Immunität und über die darin ansässigen Leute dem öffentlichen Beamten entzogen und dafür dem Inhaber der Immunität übertragen wurde; dieser ließ sie, falls er ein Geistlicher war, durch seinen Vogt ausüben. In der älteren Zeit handelte es sich nur um jene Rechtsfälle, in denen Geldstrafen verhängt wurden; im Laufe des 9. und 10. Jahr­hunderts aber befreite die Immunität auch von der Gerichtsbarkeit in schweren Kriminalsachen, wo mit Acht, Leib und Leben bestraft ivurde; so wird seither die kirchliche Immunität bzw. die Vogtei und damit die rechtliche Stellung des mit der Wahr­nehmung der Immunitätsrechte betrauten Beamten des kirchlichen Immunitätsherrn dem öffentlichen Gerichtsbezirk, also der Grafschaft und der rechtlichen Stellung des Grafen ebenbürtig. —■ Die Immunität bildet in der Folge einen wichtigen Faktor bei der Entstehung der Landeshoheit. Aus der geistlichen Immunität konnte, vielfach in Verbindung mit den seit den Ottonen an die Kirchen verliehenen Grafschaften, falls dem geistlichen Immunitätsherrn die Befreiung von der Gewalt des Vogtes gelang, unmittelbar eine geistliche Landesherrschaft oder zumindest ein bedeutsamer Teil derselben erwachsen. Andererseits aber konnte, falls die Beseitigung des Vogtes nicht möglich war, aus der Vogtei über einen geistlichen Immunitätsbezirk eben durch den Vogt eine weltliche Landesherrschaft begründet werden. Der erste Fall trifft zu bei der Entstehung der Landesherrschaft der Salzburger Erzbischöfe; diese hat sich entwickelt aus der Grundherrschuft mit der Immunität, aus zurückerworbenen Vogteien, axis Grafschaften bzw. Grafschaftsrechten und aus Regalien. Als Beispiel für den zweiten Fall kann die Landeshoheit der Grafen von Tirol angeführt werden, die vornehmlich aus den durch die Grafen von Tirol erworbenen Vogteien über die Kirchen von Brixen, Trient und Aquileja erwachsen ist (vgl. Claudius von Schwerin, Grundzüge der deutschen Rechtsgeschichte, 2. Auflage, Leipzig 1911, S. 91 ff., 112ff.; Walter Schlesinger, Die Entstehung der Landesherrschaft 1, Dresden 1911; Leo Santif aller, Die älteste Urkunde des österreichischen Staatsarchivs S. 566 ff.; Otto Stolz, Das Wesen der Grafschaft im Raume Oberbayern—Tirol—Salzburg [Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte 15, 1919, S. 68ff.]). Der Königsschutz war bis 811 ein spezieller,der dem König über die in seinem Eigentum befindlichen Klöster und Stifter zustand. Seit Ludwig dem Frommen aber ist der Begriff des Königsschutzes weiter geworden. Er erscheint nun auf alle Kirchen ausgedehnt, die das Vorrecht der Immunität besitzen. Diese feste Verbindung von Schutz und Immunität hat sich seither eingebürgert und behauptet, doch in der Weise, daß die Immunität dabei das Übergewicht erhielt und der Schutz in die Immunitäts­verfassung eingegliedert wurde (vgl. Heinrich Brunner, Deutsche Rechtsgeschichte 2, 1928, S. 69—73). (C.). x In nomine Domini Dei et Salvatoris nostri Iesu Christi. Hlndouuicus divina ordinante providentia imperator augustus. Cum petitionibus sacerdotum iustis et rationabilibus divini cultus amore favemus superna nos x / gratia muniri non diffidimus. Noverit interea 4) sagacitas seu utilitas omnium fidelium nostrorum tam praesentium quam et futurorum, quia vir venerabilis Arno, Iuuenensis ecclesiae archiepiscopus nec [non 2) Salz]burgensium, detulit nobis auctoritates inmunitatum domni et genitoris nostri Karoli, bonae me/moriae piissimi augusti 3), in qua erat insertum, qualiter ipsam sedem, quae est in honore sancti Petri, pri[ncipis a]postolorum, ubi etiam sanctus Hruotbertus corpore requiescit non sol [um cu]m cellulis sibi subiectis et re vel hominibus ad se pertinentibus vel aspicientibus sub 4) suo nomine vel defensione consistere fecerat, verum / etiam 4) et quicquid ex liberalitate regum reginarum­x) noverit interea auf Rasur und sehr eng gedrängt, doch von erster Hand A. 2) Nur noch das zweite n erkennbar A. 3) Piissimi augusti mit etwas stärkerer Tinte A; Salzburger Urkundenbuch glaubt auf Rasur. 4) sub bis etiam auf Rasur und sehr gedrängt, doch von erster Hand A ; verum geht über die Zeile hinaus, etiam ist vor die beginnende Zeile gesetzt A ; vgl. Sickel, Acta I, S. 312. 1. 3

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