Emerich Bielik: Geschichte der K. u. K. Militär-Seelsorge und des Apostolischen Feld-Vicariates (Wien, 1901)

II. Theil. Die militär-geistliche Hierarchie und die Militär-Seelsorge nach der Errichtung des Apostolischen Feld-Vicariates - 1. Capitel. Das Apostolische Feld-Vicariat

117 Schonungslos griff man in das religiöse Leben des Volkes ein, indem man die Formen zerbrach, in welchen es seine Frömmigkeit zu bethätigen gewohnt war. Die Geistlichen mussten von specifisch-katholischen Glaubens­lehren Umgang nehmen. Eine staatspolizeiliche Gottesdienst­ordnung entkleidete vollends den kirchlichen Cultus seiner Schönheit und Mannigfaltigkeit. Selbst die Zahl der Kerzen beim Gottesdienste wurde darin vorgesehen; die gottes­dienstlichen Gebräuche, Gebete, Litaneien und Lieder wurden auf das Genaueste vorgeschrieben, die Processionen verboten und die Wallfahrten theils gänzlich untersagt, theils durch beschränkende Bestimmungen sehr erschwert. Damit Holz erspart werde, sollten die Leichen in Säcke genäht und nicht mehr in Särge gelegt werden. In Betreff der Ehe nahm die Staatsgesetzgebung für sich allein das Recht in Anspruch, trennende Ehehindernisse festzusetzen. Die Ehescheidung wurde so leicht als möglich gemacht. Während man gegen die katholische Kirche die äußerste Intoleranz an den Tag legte, wurde für die übrigen Con- fessionen am 22. Juni 1781 ein »Toleranzedict« erlassen. Alle diese Verordnungen wurden auch dem Aposto­lischen Feld-Vicar zur Wissenschaft und Darnachhaltung mit hofkriegsräthlichen Rescripten mitgetheilt. fl -c Dass der Glaube im Heere gelockert und dem Atheismus Thür und Thor geöffnet war, braucht nicht erst betont zu werden. Die öffentlichen Betstunden bei den Fahnen wurden eingestellt und nur mehr durch Hornsignale oder Trommel­schläge bei der Hauptwache »markiert«. Das Fastengebot wurde wenig beachtet, und die Strafen für die Nicht­verrichtung der österlichen Beichte wurden aufgehoben. Das Lesen der kirchlich verbotenen Bücher nahm sehr

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