Emerich Bielik: Geschichte der K. u. K. Militär-Seelsorge und des Apostolischen Feld-Vicariates (Wien, 1901)

II. Theil. Die militär-geistliche Hierarchie und die Militär-Seelsorge nach der Errichtung des Apostolischen Feld-Vicariates - 1. Capitel. Das Apostolische Feld-Vicariat

Österreich immer mehr um sich. Besonders waren es die Rathgeber der Kaiserin, welche den Ideen der französischen Philosophie huldigten. Wie Frankreich in allem übrigen Muster und Vorbild war, so suchte man dasselbe auch darin nachzuahmen, dass man die Grundsätze des Galli- oanismus zur Geltung zu bringen suchte. Die gottlosesten Schriften wurden als Orakel des guten Tones, des Witzes und der echten Lebensweisheit angesehen, und der Kampf gegen Christenthum, Kirche und alles Bestehende wurde so allgemein, dass jeder, der sich zu den gebildeten Classen der Gesellschaft zählte, an demselben theilnehmen zu müssen glaubte. Nach dem Ableben der großen Kaiserin und Königin wurde dieser Kampf ganz offen und mit aller Vehemenz geführt, und der Erfolg dieser gottlosen Wirksamkeit war ein unglaublicher. Es wurden an allen hohen Schulen des Staates Lehr­stühle des Naturrechtes und der politischen Wissenschaften errichtet. Von diesen Lehrstühlen herab wurden die wider­sprechendsten Grundsätze vorgetragen; auf der einen Seite der crasseste Radicalismus, der alle Standesvorrechte als Usurpationen erklärte und dem Naturrechte eine absolute Geltung über das positive Recht einräumte, auf der anderen Seite dagegen die größte Verehrung für den Polizeistaat. Es wurden auch sogenannte Normalschulen errichtet, durch welche man den neuen Geist unter die Volksmassen zu verbreiten suchte. Selbst der Katechismus wurde zu einem Gegenstände, welchem die Neuerungs-Partei ihre Aufmerksamkeit schenken zu müssen glaubte. Der längst im Gebrauch gewesene Katechismus von Cauisius passte ihr nicht mehr; er wurde durch einen »Normal-Katechismus« ersetzt, welcher durch den seichtesten Rationalismus ver­flacht war.

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