Manfred Fink (Hrsg.): Das Archiv der Republik und seine Bestände. Teil 1 : Das Schriftgut der 1. Republik und aus der Zeit von 1938 bis 1945 (1996)

Einleitung

internen Regelungen. Nicht zuletzt aufgrund internationaler Vereinbarungen (Ar­chivabkommen) orientiert sich die Zugänglichkeit des Archivs der Republik an internationalen Standards. So gibt es eine zeitliche Schutzfrist, die im Österreichi­schen Staatsarchiv mit 30 Jahren zurückgerechnet wird, d. h. 1994 werden die im Archiv verwahrten Dokumente der Jahre bis 1963 zur Einsicht zur Verfügung stehen. Entscheidend ist dabei der letzte (oder jüngste) in einem Geschäftsfall produzierte Akt. Ausgenommen aus dieser Grundsatzregelung sind die im Archiv verwahrten Perso­nalakten oder jenes Schriftgut, das von seinem Wesen her ausschließlich personen­bezogen ist. In diesem Fall obliegen auch dem Archiv die jeweils geltenden personen- und datenschutzrechtlichen Bestimmungen. Der Konflikt zwischen dem Informa­tionsrecht einerseits und dem Schutz der individuellen Privatsphäre andererseits ist im Kem nicht lösbar. Sicher ist nur, daß eine rigorose Auslegung des Daten- und Personenschutzes in der Lage wäre, jede Forschungstätigkeit in einem zeitgenössi­schen Archiv lahmzulegen. Da dies wohl nicht im Interesse des Archivträgers, der Republik Österreich, gelegen sein kann, wird es wohl am Verständnis und der Fachkompetenz der Archivbediensteten liegen, das historische Interesse der in den Akten enthaltenen Informationen entsprechend zu gewichten. Für den Juristen wird die rechtliche Abwägung, für den Historikerdas öffentlich-historische Interesse von entscheidender Bedeutung sein. Es wurde bereits erwähnt, daß sich die Archive gegenwärtig in einer veränderten gesellschaftlichen Position befinden. Es ist zwar nach wie vorgültig, daß die Archive etwas ähnliches wie das "Gedächtnis" eines Gemeinwesens verkörpern. Sie sind aber aus dem demokratischen und rechtsstaatlichen Verständnis der Staatsbürger viel­mehr zum "Rückgrat" eines Gemeinwesens geworden. Archive garantieren nicht nur die Möglichkeit, Entscheidungen und Prozesse rückblickend zu beschreiben und zu analysieren, sondern sie formen in gleichem Maß das gegenwärtige demokratische und kulturelle Sebstverständnis eines Ge­meinwesens. Die aktuelle Bedeutung von Archiven, deren Zugang und Verständnis in der Öffentlichkeit spiegeln somit auch die gegenwärtigen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen wider. Transparenz und Offenheit - gelebte Unternehmensphilosophie im Archiv Der Zugang zum Archiv der Republik ist schon seit längerer Zeit nicht mehr ausschließlich auf Vertreter der wissenschaftlichen historischen Forschung be­schränkt. Dieser Trend, der sicherlich auch in Archiven anderer Archivträger spürbar ist, bestätigt den gesellschaftlichen Wertewandel der Archive. Die Archive sind zu modernen Informationszentren geworden, die jedem offenstehen: dem Privatgelehrten oder Universitätsprofessor, dem Hobbyhistoriker oder Familienfor­scher, dem Städteplaneroder dem Modellbauer, um nur wahlweise einige Berufe der Archivbesucher zu nennen. XXIV

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