Puskás Attila (szerk.): A Szent Titok vonzásában. A hetvenéves Fila Béla köszöntése - Studia Theologica Budapestinensia 32. (2003)

Fehér M. István: Pietismus und Hermeneutik

78 Fehér M. István IV. Am Ende dieses Beitrags möchte ich eine ergänzende Überlegung anstellen dahingehend, daß die in Gadamer und Kant herausgestellten gemeinsamen Aspekte einige Grundcharakteristika der deutschen philosophisch-theologischen Tradition und der ihr eigenen Grundhaltung ausmachen. Angesichts der in Kant kurz erläuterten Religionsauffassung, gemäß der das Wesen der Religion weniger in einer theoretischen Weltansicht oder in einem Lehrsystem, als vielmehr und vor allem in religiöser Aktivität, einem ganz bes­timmt religiös ausgerichteten Leben, besteht, sowie hinsichtlich Gadamers Auffassung des Verstehens, das hauptsächlich anwendungsbezogen entfaltet wird, sei angemerkt, daß eine solche Auffassung tiefe Wurzel in der deutschen Philosophie hat. Charakteristisch für diese ist eine mit einer eigentümlichen Theologiefeindlichkeit einhergehende Religionsnähe, wobei diese wiederum eine wesentliche Lebensnähe und Volknähe darstellt. Nicht von ungefähr sind der Terminus Lebensphilosophie wie auch der der Kulturkritik typisch deutsche Wortprägungen. Der Widerstand gegen die aristotelisch-scholastische Theologie, besonders die theologia gloriae des Mittelalters, ist entscheidend von Luther her geprägt, der ihr im Rückgriff auf Paulus die theologia crucis gegenüberstellt hatte; an diese Auffassung der Theologie haben sich viele, zuletzt auch der junge Heidegger selbst, angeschlossen. „Glaube ist nicht Lehre, sondern Leben, die erlebte Tat-sache [sc. Sache der Tat], der ,Geburt Gottes’ in der Seele“, heißt es im Kriegsbuch von Paul Natorp, einem von Heideggers Meister.40 Das Verpflichten des Christentums auf das Leben, das moralisch ausgerichtete Leben, oder — wie bei Schleiermacher, der historischen Schule, Dilthey und dem Neukantianismus bis hin zur hermeneutischen Phänomenologie Heideggers —, auf die Geschichte bzw. die Geschichtlichkeit ist in der deutschen philosophisch­theologischen Tradition seit der mittalalerlichen Mystik und dem Werk Luthers gar nicht ungewöhnlich. Die Interpretation der Religion auf ihren praktisch­geschichtlichen Charakter hin, daß sie nämlich Sache des Lebens, der Praxis, nicht Sache der Theorie ist, kommt, wie wir gesehen haben, eindeutig in Kant zum Ausdruck, dessen Absage an den Gottesbeweisen im Bereich der theoretis­chen Vernunft unter gleichzeitigem Festhalten an der Postulatenlehre in der prak­tischen so oft mißverstanden bzw. verkannt wurde. Für Kant ist eine Religion, die vom Ethischen (das für ihn mit Praktischem gleichbedeutend ist) absieht, eher Aberglaube, und die Existenz Gottes sowie die Unsterblichkeit der Seele stellen 40 NATORP, P., Deutscher Weltberuf. Geschichtsphilosophische Richtlinien. I. Buch. Die Weltalter des Geistes, Jena 1918, 87. Zitiert nach KISIEL, T., War der frühe Heidegger tatsächlich ein ‘christlicher Theologe’?, in Philosophie und Poesie. Otto Pöggeler 3um 60. Geburtstag Bd. 2 (hrsg. A. Gethmann-Siefert), Stuttgart - Bad Cannstatt 1988, 59-75, hier S. 72.

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