Erdő Péter - Rózsa Huba: Eschatologie und Jahrtausendwende 2. Deutsch-Ungarischer Theologentag Budapest, 3. März 2000 - Studia Theologica Budapestinensia 26. (2000)
Karl Schlemmer: Die situation des Christentums im Westen zur Jahrtausendwende
sondern als die Folgen ihrer eigenen Sünden gegen die Einheit. Wenn man diese harte, aber nicht zu widerlegende Diagnose ernst nimmt, dann eröffnet sich von selbst die entscheidende Lektion für das gegenwärtige Christentum in den europäischen Gesellschaften. Soll nämlich wirklich wieder einmal das Christentum seine politische und gesamtgesellschaftliche Bedeutung zurückgewinnen, wonach es keinesfalls aussieht, dann wird dies nicht anders möglich sein als in der erneuerten Gestalt eines ökumenisch wiedervereinigten Christentums, in einer wiederversöhnten, vielfältigen Einheit. Denn nur wenn es den christlichen Kirchen gelingt, ihr eigenes Zusammenleben im ökumenischen Geist des Friedens und der Versöhnung zu gestalten, können sie auch glaubwürdig und wirksam für die Erhaltung, Förderung und Erneuerung des Friedens in den europäischen Gesellschaften wirken. Die Aufgabe der Kirchen im neuen Europa ist nämlich ökumenisch, oder ein neuer Konfessionsstreit wird Säkularisierung und Agnostizismus vertiefen und ausweiten. „Niemand will dabei eine Uniformität restaurieren. Aber das Christentum kann im künftigen Europa wirklich nur dann eine öffentlich und gesellschaftlich relevante Kraft darstellen, wenn es die Spaltungen in sich überwindet und auf überzeugende Weise die grundlegenden und gemeinsamen Werte in das Gespräch eines Landes und der europäischen Länder einbringt" (Karl Lehmann). Nach dem Umbruch von 1989/90 muß man mit dem evangelischen Theologen Jürgen Moltmann festhalten: „Dies ist nicht die Stunde des Triumphes über den ,gottlosen Kommunismus'. Dies ist die Stunde des Aufbruchs aus der eigenen konfessionellen Enge. Dies ist die Stunde der christlichen und der religiösen Ökumene für das neue Europa, oder die Kirchen werden zu Relikten einer überholten Vergangenheit werden". Insofern darf und muß man den Prozeß der ökumenischen Einigung der Christenheit als weitreichendsten und wichtigsten Beitrag des gegenwärtigen Christentums zur politischen Zukunft der Menschheit, insbesondere der westlich geprägten Welt, sehen und erachten. Drei Zitate mögen in etwa das Anliegen mit abstecken helfen. Das erste kommt von Altbundeskanzler Fielmut Schmidt: „Was wir heute von den Kirchen erwarten, das ist Seelsorge und Trost, Barmherzigkeit auch gegenüber dem Schwachen, dem Armen, Solidarität mit unserem kranken Nachbarn, die Lehre der Toleranz gegenüber anderen und die Lehre vom Respekt gegenüber der persönlichen 72