Erdő Péter - Rózsa Huba: Eschatologie und Jahrtausendwende 2. Deutsch-Ungarischer Theologentag Budapest, 3. März 2000 - Studia Theologica Budapestinensia 26. (2000)
Karl Schlemmer: Die situation des Christentums im Westen zur Jahrtausendwende
Distanz vieler Menschen zur Kirche mit solchen Erfahrungen von Sündenangst zusammenhängt. Dadurch wurden unglaublich viel Chancen verspielt. Und die junge und jüngere Generation, die zumeist Kinder von Eltern sind, die solche bitteren Kirchenerfahrungen gemacht haben, erleben zudem die Gotteskrise ihres säkularisierten Umfeldes und gelangen somit in eine Glaubenskrise (da vermag ein guter Religionsunterricht nicht allzu viel zu korrigieren), der die Kirchen mit ihrer diversen Sprachlosigkeit hilflos gegenüberstehen; sie sprechen eben nicht die Sprache, die Menschen unserer Gesellschaft verstehen. Gottes- und Glaubenskrisen betreffen aber ebenso die jungen Menschen, die eine religiös restriktiv-rigorose Erziehung durch ihre religiös engen und ängstlichen Eltern zu durchleiden hatten. Von daher braucht es die prophetische Option mit der Dynamik einer befreienden und einladenden Frohbotschaft nötiger denn je. d) die ökumenische Option Daß das Christentum in der neuzeitlichen Lebenswelt Europas immer weltloser geworden und seiner die Gesellschaft gestaltenden Kraft immer mehr verlustig gegangen ist, hat seinen historischen Grund, der beim europäischen Christentum selbst zu suchen ist. Denn zweifellos muß man die in den neuzeitlichen Gesellschaften Europas dominant gewordene Privatisierung des christlichen Glaubens zu den zwar ungewollten, aber nichtsdestotrotz fatalen Folgewirkungen der abendländischen Kirchenspaltung zählen. Die konfessionelle Spaltung Europas mit ihren entsetzlichen Konsequenzen und den blutigen Konfessionskriegen des 16. und 17. Jahrhunderts, sowie die tragische Unfähigkeit der verschiedenen Konfessionskirchen, für den religiösen Frieden in der Gesellschaft zu sorgen, waren die Ursache, daß das öffentliche Leben der neuzeitlichen Gesellschaft sich in den wichtigsten Bereichen auf eine von den konfessionellen Gegensätzen und damit vom Christentum überhaupt losgelöste neue, säkularisierte Grundlage hin entwickelt hat. Da die verschiedenen Konfessionskirchen unfähig waren, zu Frieden und Einheit zu finden, blieb den Menschen in konfessionell gemischten Territorien gar keine andere Wahl, als ihr Zusammenleben auf einer von den konfessionellen Gegensätzen unberührten gemeinsamen Grundlage neu aufzubauen. Somit ist die Säkularisierung der Neuzeit und die Entfremdung vom Christentum nicht als äußeres Schicksal über die Kirchen gekommen, 71