Gudrun Bohle: Die Frage der Läuterung im Alten Testament - Studia Theologica Budapestinensia 20. (1998)

II. - II.1. Jesaja 6,1-11

Dies sind die einzigen Eigenschaften, die angesichts der Erfahrung Gottes zählen. Die Unreinheit betrifft die ganze Existenz, wenn er und weil er vor dem heiligen Gott steht107. Die Formulierung lautet weder: "meine Lippen sind unrein" noch "ich bin unrein", sondern "ich bin ein Mann von unreinen Lippen". Man kann überlegen, warum die Lippen genannt sind; die Kommentatoren schlagen vor, einen Zusammenhang zur prophetischen Aufgabe108 herzustellen, die sich durch den Mund vollzieht; oder aber die andere Möglichkeit, daß Jesaja im Gegensatz zu den Seraphen nicht in den Lobgesang Gottes einstimmen kann (v.3).109 Beides ist im Blick auf die Person Jesajas möglich; es ist aber zu bedenken, daß Jesaja im selben Satz das Attribut "unrein an den Lippen" auch dem Volk zuschreibt. Für dieses Volk gilt weder, daß es sich in der prophetischen Aufgabe verfehlt hat, noch gibt es den direkten Bezug zum Lobgesang der Seraphen. Daher muß es sich bei dieser Unreinheit um einen grundsätzlichen Wesenzug handeln. Dies geht auch hervor aus der Aussage des Seraphen in v.7b: ■oat* dt cg sco tí'S "o ~*ncü ^y m yaa nan-icon 7rínom 737p -idi Die Berührung der Lippen bewirkt, daß Sünde und Schuld getilgt werden - Jiy und TIRE" sind hier Parallelbegriffe zu REE .110 107 B.Janowski, Sühne als Heilsgeschehen, 1982, S. 126. Die Unreinheit ist hier eine “grundsätzlich die Existenz betreffenden Konstitution des Menschen angesichts der Heiligkeit Gottes". 108 z.B. H.Wildberger, BK X/l, 1972, S. 251: "..Jesaja hat den Ausdruck im übertragenen Sinn verwendet: unrein sind seine Lippen, weil sie Unlauteres, Unwahres gesagt, vielleicht auch, weil sie nicht angemessen von Gott gesprochen hatten. " '09z.B. B.Janowski, Sühne als Heilsgeschehen, 1982, S. 126f. : “Als ’Verstummender’ ist der Prophet dem Tode preisgegeben, als ein ’unreiner an Lippen’, der angesichts der im Gotteslob der Seraphen wie im Beben und Rauch präsenten Majestät Jahwes nicht in Gotteslob ausbrechen kann, jemand, dessen Leben verwirkt ist. " vgl. auch E.Jenni, Jesajas Berufung in der neueren Forschung, 1959, S.322. 110 G.André, Art. REE , in: THWAT II. 2/3, Sp. 376: “Unreinheit wird manchmal ausdrücklich mit Schuld, Vergehen und Verbrechen gleichgestellt (u.a. Jes 6,5...). Die Unreinheit Jesajas und des Volkes steht im schärfsten Kontrast zur Heiligkeit JHWHs. Als die Lippen des Propheten gereinigt werden, wird seine Schuld gesühnt (kpr pu) 6,7, so daß er das Wort des Heiligen verkünden kann. ” 53

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