Gudrun Bohle: Die Frage der Läuterung im Alten Testament - Studia Theologica Budapestinensia 20. (1998)
I. Einleitung - Begriffliche Klärung von "Läuterung" - I.5. Grundstruktur
Sie hindern den Menschen daran, Gott in seiner Größe wahrzunehmen und ihm Raum für sein Wirken zu geben. Sie hindern Gott daran, seine Verheißungen wirksam werden zu lassen, weil sie - zunächst jedenfalls - seinen Zorn und sein Gericht hervorrufen. Die Erfahrung der geschichtlichen Katastrophe im Untergang Jerusalems und seines Tempels und im Exil machen dem Volk Isarel deutlich, daß das Verhältnis zu Gott zerbrochen ist: Das bedeutet für die einen, daß der Bund gebrochen worden ist, für andere, daß das einheitliche System des Kultes und seiner Harmonie keine wirkliche Antwort mehr geben kann. Vorexilische heilsgeschichtliche Traditionen werden leer und passen nicht mehr zu der Erfahrung, daß Jahwe offensichtlich sein Volk verlassen hat. 1.5.13. Die Lösung der daraus entstehenden Spannung. Läuterung besteht schließlich in dem Prozeß, der eine Lösung dieser Spannung anbahnt. Der Wunsch nach dieser Lösung entspricht einer Sehnsucht des Menschen und Gottes. So kann die Initiative dazu auch einerseits mehr von der Seite des Menschen oder andererseits mehr von der Seite Gottes ausgehen. Es braucht dazu eine gewisse Offenheit und Bereitschaft der Betroffenen. Diese kann jeweils verschieden aussehen. Wenn sie nicht bereits vorhanden ist, so wird sie von dem/denjenigen angespornt, die aus der direkten Erfahrung Gottes gedrängt sind. Äußerungen davon können das "Wandeln in Gottes Wegen" sein, Gebet und Bitte oder der Opferdienst, insbesondere Opfer, die eine Entsündigung herbeiführen sollen. Andererseits braucht es dazu das Wirken Gottes. Auch wenn es in den verschiedenen untersuchten Texten die eben genannten "Aktivitäten" der Menschen gibt, bleibt der Akzent doch immer auf dem Handeln Gottes. Das Entscheidende geschieht durch das Eingreifen Gottes. Der Wandel vom Unreinen zum Reinen, die Reinigung von Sünde und das Entfernen von Schuld sind im letzten die alleinige Tat Gottes. Insofern ist Läuterung etwas, was - durch alle Traditionen hindurch - am Menschen geschieht und somit "Leistung Gottes" und nicht des Menschen ist, weil in der Verfahrenheit der gegebenen Situation der Mensch sich dazu gar nicht in der Lage sieht. Es zeigt sich, daß in diesen Stellen im Alten 27